Gedicht über die Historie der WTG

Eine gereimte (oder ungereimte?) Geschichte-

Seit es Menschen gibt auf Erden
fragen die sich: Was wird werden?
Ach, man wäre fein heraus,
wüsst‘ die Zukunft man voraus!
Vor allem, wenn man wüsste, wann
geschieht wohl dies und jenes dann,
dann könnte man entsprechend planen!
So – so dachten schon die Ahnen -.
Doch häufig liegt der Mensch im Leben
mit Prognosen voll daneben,
in Wirtschaft und in Politik,
der Technik und im Weltgeschick!
Gut gezielt und schlecht getroffen –
kann man auf Verbess’rung hoffen?
Auch in Punkto Religion
gab’s da viele Pleiten schon.
So hat man in alten Zeiten
– wer kann dieses heut bestreiten? –
mächtig und höchst intensiv
fest geglaubt, was anders lief:
Katholiken, Protestanten,
Pfarrer, die die Bibel kannten,
Bibelforscher, Adventisten,
ernste, fromme Bibelchristen
ham viel Zeit und Schweiß verwendet,
zu entdecken, wann sie endet
diese Welt in der wir leben,
wann soll es was Bess’res geben? –
Wann wird Christus wiederkommen
zu erlösen alle Frommen
und die Bösen zu vernichten
wie die Schriften uns berichten?
Wohl hat deren Herr und Meister
sehr gewarnt vor Rechenkleister.
Doch jedwede Gen’ration
ließ nie ganz das Rechnen schon.
Daten, möglichst kompliziert,
die der Laie kaum kapiert,
nahmen Gläubige halt an,
in der Hoffnung, ’s sei was dran!
So konnt‘ man den Glauben würzen
mit dem Neunzehnhundertvierzehn:
Sieben Zeiten sollen enden
und das Weltgeschehen wenden -.
Die da auserkoren waren
soll’n Entrückung all erfahren,
also in den Himmel kommen
froh vereint mit andern Frommen
früh’rer christlicher Geschlechter!
– So der treu-verständ’ge Wächter.
Auf der Erde breche – welch Malheur –
Zorn Gottes über alle her:
Ein Drangsal ohnegleichen,
ein Wehe Arm und Reichen,
nicht beweint und nicht begraben,
zu Dünger und zu Fraß der Raben!
Und – Gottes neue Welt
käm pünktlich, wie bestellt.

Doch schließlich erntete man Hohn
nach neunzehnhundertvierzehn schon –
denn viele fragten fies:
„Wo bleibt denn nur das Paradies?“
„Was tut’s? Das ist doch Schnee von gestern,
uns schert das nicht, wenn Dumme lästern!“
Wir blicken vorwärts! Nicht zurück!
Und – verkünden neues Glück:
Nach anno Fünfundzwanzig
wird keiner alt und ranzig!
Ein Jubeljahr ist dies, jawoll!
das alle Leiden lösen soll:
Heil’ge Männer alter Zeiten
werden dann zur Weltmacht schreiten:
Abel, Noah, Abraham –
Fürsten regeln Gottes Plan!
’s kommt eine goldne Zeit –
bald, bald ist es so weit!
Jetzt gilt’s (!) das Reich zu erben und:
Keiner braucht mehr zu sterben!
Doch dann gingen die Prognosen
ganz aufs Neue in die Hosen -.
Viele fühlten sich blamiert -.
Andre logen ungeniert,
dass die neue Rechenpleite
nicht das Werk der Führungsleute!
„Die ham das nie gesagt!“ –
entgegnet man dem der fragt -.
„Vorwärts schauen – nicht zurück!“
ist ja der Enttäuschten Glück.
Späterhin in solchen Fällen
tut’s das Wort: „Alte Kamellen!“
Glaubst du, man hätt‘ draus gelernt?
O, mitnichten – weit entfernt:
Gottes Organisation
tritt aufs Neue in Aktion:
„Jetzt ist das Ende greifbar nah!“ –
so tönt es aus Amerika.
Dem zweiten Weltkrieg folgt ganz klar
die Schlacht Gottes prompt, unmittelbar!
Alle Kraft zum Endspurt jetzt!
Andres wird zurückgesetzt:
Heirat, Schule und Beruf
kommen in ganz schlechten Ruf.
Kinder gelten sozusagen
als Ballast, Gefahr und Plagen.
Zum Schlusswerk wird mobilisiert,
der Eingriff Gottes garantiert,
kann jeden Tag beginnen –
es gilt, dem zu entrinnen!
Dem „letzten Weltkongress“, habt acht (!)
folgt dann „der nächste nach der Schlacht!“
Welch Feuer! Welch Begeisterung!
Und wir, wir bleiben ewig jung -!
Die Zeit ging hin, vom Endspurt müd‘,
der offensichtlich zu verfrüht,
braucht die erschöpfte Herde

– wie etwa müde Pferde
die nicht mehr hören auf „Marsch-Marsch“ –
ein Portion Pfeffer in den Arsch:
Man rechnet hin und rechnet her,
hochchronologisch bitte sehr,
und siehe es ergibt sich:
Man kommt auf Fünfundsiebzig!
6000 Jahr‘ von Adam her –
ist alles klar, was will man mehr!?
Was Jehova durch den Sklaven
mitgeteilt den sanften Schafen
brachte Schwung und Pioniere
was Begeist’rung wieder schüre!
Man startete Traktat-Aktionen
– zu Millionen, zu Millionen –
„zentnerschwere Hagelsteine“
soll’n auf Große und auch Kleine
der Verstockten niederprasseln,
ihre Hoffnungen vermasseln!
Babel sei ja schon gefallen
und Vernichtung gelte allen,
die nicht auf die Warnung hören
von den Wachtturm-Redakteuren:
„Höchste Zeit“ vor allen Dingen,
„Was die 70er Jahre bringen“,
dass du dem Interesse schenkst:
„Es ist später als du denkst!“
Doch das Ende blieb – o Graus –
wieder einmal pünktlich aus -!
Klar sucht man nach diesem Schock
auch nach einem Sündenbock –
bloß nicht in der Chefetage,
Sklave käm sonst arg in Rage!
Die in Zweigen und Bezirken,
Kreisen und am Orte wirken –
diese sind die Missetäter!
Ja, die ham den schwarzen Peter!
Redlich müht man sich indessen
’75 zu vergessen -.
Dann hat man zu guter letzt
auf die Gen’ration gesetzt,
die schon anno ’14 lebte
und dem Ende näherstrebte:
„Keinesfalls wird sie vergehen.
sie wird die Befreiung sehen“!?
Das Bibelmaß für’s Menschenleben
ist mit achtzig angegeben,
also rechnet selbst der Dumme
’94 aus als Summe.
Wieder einmal ist ganz klar,
spätestens in diesem Jahr
geht’s dem jetzigen System
so wie einst Jerusalem!
Solches „Licht“ in Sonderheit,
uns serviert „zur rechten Zeit“,
sollte jeder ohne mucken,
brav und ohne zögern schlucken.
Wer den Hals schon vorher streckte,
man vom Lehrpult runterfegte!
Keiner lernt von dem was war
– traurig, traurig – aber wahr!

So verging auch diese Nummer
mit der Zeit und manchem Kummer.
Wieder wurde offensichtlich,
dass Prognosen falsch und nichtig.
Jeder hatte schließlich Klarheit
– was da Trug und was da Wahrheit –
doch wer es nicht sehen will,
der schluckt weiter und hält still!
So ist aus ganz großen Worten
nur ein pures Nichts geworden
und Babels Fall und Sturz
ist wie ein alter Furz
– verstunken und verflogen –
die Gläubigen betrogen!
Aber, aber, aber, aber
– hört man aus dem Volksgelaber –
der „Sklave“ kann nie schuldig sein!
Und man macht sich diesen Reim:
Grad so dachten viele Juden,
als sie den an’s Richtholz schlugen,
der damals die Einheit störte
und die Oberschicht entehrte!
Einesteils habe er schon Recht
– aber spalten – das ist schlecht:
Uneins – fünf in einem Haus –
ist das nicht ein arger Graus?!
Dass der Christus Menschen trennte,
auf die Erde Feuer sende,
mit der Wahrheit Frieden stört,
hat die Masse sehr empört!
Wahrheit wird nicht sehr geschätzt
– damals, später und auch jetzt.
„Was ist Wahrheit?“ sagt Pilatus
wohl im Blick auf seinen Status
in der Welt der Politik,
wo man siegt durch List und Trick.
Aus dieser Sicht wird jedem klar:
Wahrheit zeugen birgt Gefahr!
Du sollst sie nicht den Hunden geben,
sonst kostet’s dich vielleicht dein Leben;
beim Schwein wirst du nur Zorn entzünden,
suchst du die Wahrheit zu ergründen!
Drum prüfe, wen du vor dir hast,
ob er sie liebt, ob er sie hasst –

die Wahrheit, die den Perlen gleich,
das Tor ist in das Gottesreich!
Die Wahrheit nur macht wirklich frei
auch von der Einheits-Frömmelei!
Erfasse wer die Wahrheit ist:
Such Einheit auch in Jesus Christ!!!

————————————————-
-B-



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Errettung nur bei Zeugen Jehovas ?

Feststellung des deutschen Philosophen Immanuel Kant zum Begriff „LÜGE“:

„Eine Lüge aber, sie mag innerlich oder äußerlich sein, ist zwiefacher Art:

1. Wenn man das für wahr ausgibt, dessen man sich doch als unwahr bewusst ist.

2. Wenn man etwas für gewiss ausgibt, obwohl man sich bewusst ist, subjektiv ungewiss zu sein.“

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Zitate aus Literatur der Wachtturm-Gesellschaft:

Wachtturm 15.9.1993 Seite 22
Wenn wir uns indes von Jehovas Organisation zurückziehen, können wir nirgendwo sonst Rettung erlangen und echte Freude finden.

Wachtturm 1.9.1989 Seite 19 Abschnitt 7
Nur Jehovas Zeugen – die Glieder des gesalbten Überrests und die „große Volksmenge“ – haben als vereinte Organisation unter dem Schutz des höchsten Organisators die biblische Hoffnung, das nahe bevorstehende Ende des zum Untergang verurteilten, von Satan, dem Teufel, beherrschten Systems zu überleben (Offenbarung 7:9-17; 2. Korinther 4:4). Sie werden das „Fleisch“ sein, von dem Jesus sagte, es würde aus der größten Drangsal der Menschheitsgeschichte gerettet werden.

Wachtturm 15.7.1984 Seite 18
Vergiß nie, daß nur Gottes Organisation das Ende des zur Vernichtung verurteilten Systems überdauern wird. Handle daher weise, und plane für das ewige Leben, indem du deine Zukunft zusammen mit Jehovas Organisation baust.

Wachtturm 15.5.1983 Seite 7
Und wenn Christus in naher Zukunft die Feinde Gottes vernichten wird, werden sie befreit werden und die Gelegenheit erhalten, von Gott für immer gesegnet zu werden (Zephanja 2:2, 3; Psalm 29:11).

Wachtturm 1.10.1973 Seite 598 Abschnitt 24
Die Organisation Satans, des Teufels, besteht aus Dämonen und Menschen. Sie geht nun ihrer endgültigen Niederlage, ihrer ewigen Vernichtung, entgegen, die von Gott und seinen Vollzugsstreitkräften unter der Leitung Jesu Christi herbeigeführt wird. Jehovas Organisation geht indes einer wunderbaren Zeit entgegen. Sie rückt in der heutigen Zeit der Bedrängnis immer schneller vor, und sie setzt ihren Vormarsch fort, durch die noch bevorstehende „große Drangsal“ hindurch und in Gottes verheißene neue Ordnung hinein. (Matth. 24:21; 2. Petr. 3:13)

Jahrbuch 1970 Seite 314
In Babylon der Großen gibt es Menschen, die Gottes Botschaft beachten und fliehen, damit sie nicht an Babylons Plagen und an ihrer Vernichtung teilhaben. Sie haben Schutz unter Jehovas Obhut und in Jehovas Organisation gesucht.

 

*** sl 221  12 Christenheit und Judentum jetzt vor der Vernichtung ***
Die echten Christen befolgen das Gebot Jesu und ahmen sein Beispiel nach, indem sie kein Teil der Welt sind. Die Christenheit dagegen hat sich zu einem Freund der Welt gemacht, indem sie ein Teil davon geworden ist.

 

*** sl 248  14 Die alte menschliche Ordnung weicht der neuen göttlichen Ordnung ***
Die ‘reine und unbefleckte Religion’ hat die noch lebenden christlichen Zeugen Jehovas davor bewahrt, ein Teil der neuen politischen Organisation zu werden und sich so zu einem „Teil der Welt“ zu machen

 

*** ka 287-8  15 Warum bockähnliche Menschen das Königreich nicht ererben ***
Keiner der geistigen „Brüder“ Christi ist eine bedeutende, führende Persönlichkeit dieser Welt, weder in den politischen Kreisen noch in den Reihen der Geistlichkeit der Christenheit, denn die wahren „Brüder“ Christi sind kein Teil der Welt, so, wie er kein Teil der Welt war. (1. Korinther 1:26-31; Johannes 15:19; 17:14, 16) Das gibt den bockähnlichen Menschen jedoch kein Recht, auf sie herabzuschauen. Die „Brüder“ Christi sollten mit Rücksicht auf den, den sie vertreten, und wegen der biblischen Botschaft, die sie verkündigen, respektiert werden.

 

*** tp73 126  11 Die Überlebenden dürfen „kein Teil der Welt“ sein ***
Um also unter denen zu sein, die hoffen, am Leben zu bleiben, wenn dieses Königreich gegen alle seine Gegner angeht, müssen wir die harte Tatsache anerkennen, daß diese Welt und ihre Systeme von Satan beherrscht werden. Wir müssen davon frei bleiben, indem wir standhaft Stellung für Jehovas gerechte Regierung beziehen,

Aus dem Forum bei Jesus.de

Geschrieben von Ewald am 02. Januar 2003 21:01:46:

Absoluter Wahrheitsanspruch
E I N E WAHRE RELIGION
Es ist ganz logisch, dass es nur e i n e wahre Religion geben kann. … Wer bildet denn heute die Gemeinschaft
der wahren Anbeter? Wir sagen ohne Zögern, dass es Jehovas Zeugen sind. (Paradiesbuch, S.190)

Alle anderen Religionen sind falsch und von Satan
Wir können jedoch kein Teil der Organisation Gottes und gleichzeitig ein Teil der falschen Religion sein. …
Falls also jemand noch einer solchen Religionsorganisation angehört, muss er seinen Austritt erklären. (Paradiesbuch, S.202)

Somit ist Satans Welt die organisierte menschliche Gesellschaft, die außerhalb der sichtbaren Organisation
Gottes existiert. Von dieser Welt müssen sich wahre Christen getrennt halten (Jakobus 1:27). …
Ein wichtiger Bestandteil ist die falsche Religion. … Die politischen Systeme bilden einen weiteren
wichtigen Bestandteil (Paradiesbuch, S.208-211)

Rettung nur als Zeuge Jehovas

Denke nicht, es gebe verschiedene Wege, die du gehen könntest, um in Gottes neuem System Leben zu erlangen. …
Es ist einfach nicht wahr, dass alle Religionen an das gleiche Ziel führen. Wenn du mit ewigem Leben gesegnet
werden möchtest, musst du zu Jehovas Organisation gehören und seinen Willen tun. (Paradiesbuch, S.255)
‚Kanal Gottes‘ mit uneingeschränkter göttlicher Macht
Der Kampf gegen unabhängiges Denken: Würden wir den Weg der Wahrheit kennen, wenn uns nicht die Organisation angeleitet hätte?
Kommen wir ohne die Anleitung der Organisation Gottes aus? Nein, das ist uns nicht möglich. (WT 15.4.83, S.27)

Aus diesem Grund kann die Bibel getrennt von der sichtbaren Organisation Gottes nicht richtig verstanden werden (WT 15.1.68, S.43)

Daher ist der Wille des Sklaven der Wille Jehovas. Rebellion gegen den Sklaven ist Rebellion gegen Gott ( WT 1.11.54, S.474)

Nur für sie ist Gottes Wort, die Bibel, kein versiegeltes Buch. … Wahre Christen schätzen es daher sehr,
mit der einzigen Organisation auf der Erde verbunden zu sein, die die ‚tiefen Dinge‘ Gottes versteht. (WT 1.10.1973, S.593)

Wir können die notwendige Anleitung (Anm: zum Verständnis der Bibel) nicht außerhalb der Organisation
des treuen und verständigen Sklaven finden. (WT 15.5.81)

WT 15.5.2007 Jesus, der mild gesinnte „Oberhirte“, wacht nach wie vor über das geistige Wohl seiner Nachfolger (1. Petrus 5:1-4). Unter seiner Leitung hat der „treue und verständige Sklave“ weltweit in den Versammlungen der Zeugen Jehovas Männer als Hirten eingesetzt (Matthäus 24:45-47; Titus 1:5-9).

WT 1.3.2003 Auf Jehova zu vertrauen bedeutet außerdem, denen zu vertrauen, denen er Vertrauen schenkt. Er hat zum Beispiel dafür gesorgt, dass sich der „treue und verständige Sklave“ der Königreichsinteressen auf der Erde annimmt (Matthäus 24:45-47). Wir versuchen nicht, unabhängig von diesem Sklaven zu handeln, und ignorieren nicht, dass Jehova ihn eingesetzt hat, denn wir vertrauen der göttlichen Verfahrensweise.

WT 1.9.1991 Der treue und verständige Sklave wird höchst
passend auch als Gottes Mitteilungskanal bezeichnet.

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Fragen an Zeugen Jehovas

Anregungen für Zeugen Jehovas, gibt es in den spezifischen Aufklärungsschriften vom:

http://www.bruderdienst.de/

Liebe Freunde der biblischen Wahrheit!

Wir wenden uns an Dich, um Dich wissen zu lassen, Du bist mit Deinen Fragen nicht allein. Überall in Stadt und Land gibt es Zeugen Jehovas, die nach Gott und nach der Wahrheit suchen. Manche sind verunsichert durch Probleme, mit denen sie allein nicht fertig werden. Um nur einige zu nennen :

*Haben Sterbliche wirklich das Recht, in Gottes Namen ihre Mitchristen zu beherrschen? 1.Petr.5,3.

*Ist persönliches Nachdenken und Prüfen schon Ketzerei und Rebellion? Apg.17,11

*Evangelium predigen, gut! – Aber sollte das nicht aus Liebe und Dankbarkeit geschehen, statt unter Druck?

*Und wenn ich erwarte, daß andere meine Schriften lesen und sich korrigieren, müßte ich dann nicht selbst aufgeschlossener sein für das, was andere schreiben?

Deshalb laden wir Dich ein, diesen Brief zu bedenken. Er kommt von einem Arbeitskreis, der konfessionell ungebunden ist, keine „theokratische Autorität“ für sich oder eine menschliche Führung beansprucht, sondern aus der Freiheit und Bindung heraus, die aus dem Glauben an das Evangelium erwächst. Suchenden helfen will. „Wer erbarmende Liebe erfahren hat, der kann rettende Liebe üben. Und wer von Barmherzigkeit lebt, der kann andern Barmherzigkeit erweisen“. Das sagte ein bekannter Christ. Danach möchten wir leben und dienen. Wenn wir uns manchmal mit Lehren und Hoheitsansprüchen „alleinseligmachender“ Organisationen kritisch auseinandersetzen, so steht das ganz im Dienste unseres Anliegens.

Folgende Frage sollt Ihr Euch stellen: Kann ein Christ weiterhin mit einer Organisation verbunden bleiben, vor denen Jesus Christus und die Apostel warnen? Hat Jesus mit den Worten in Luk.21,8, einfach in den Wind gesprochen, gelten diese nur für „andere“, aber niemals für uns?

Luk, 21,8 (Lu): Seht zu, laßt euch nicht verführen. Denn viele werden kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin´s, und: Die Zeit ist herbeigekommen.- Folgt ihnen nicht nach!

Interessant: Der zweite Band von Russells „Schriftstudien“ hat den Titel: „Die Zeit ist herbeigekommen“! Besorgt Euch dieses Buch und lest was darin steht, auch was für das Jahr 1914 tatsächlich erwartet wurde. Dann lest nochmals obigen Text und beachtet Jesu Warnung im kategorischen Imperativ gesprochen: „Folgt ihnen nicht nach!“…

Ohne weiteren Kommentar oder Bewertung meinerseits – was sagen Euch nachfolgende Bibelstellen? HSK-Übers.:

Jeder, der davon abgeht und nicht in der Lehre Christi bleibt, hat Gott nicht. Wer in der Lehre bleibt, der hat den Vater und den Sohn. (2.Joh.1,9)

Da sagten sie zu ihm: Was sollen wir tun, um die Werke Gottes zu vollbringen? „29 Jesus antwortete ihnen: Das ist das Werk Gottes, daß ihr an den glaubt, den er gesandt hat.“ (Joh.6,28)

Dies nun, Brüder, habe ich in Anwendung auf mich und Apollos gesagt um euretwillen, daß ihr an uns einsehen lernt, nicht hinauszugehen über das, was geschrieben ist. (1.Kor.4,6)

Denn es wird eine Zeit kommen, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen, sondern nach eigenen Gelüsten sich Lehrer zusammensuchen… von der Wahrheit werden sie das Ohr abwenden und den Fabeleien sich zuwenden. (2.Tim.4,3)

Doch vergeblich verehren sie mich; ihre Lehrsprüche, die sie vortragen, sind nichts als Satzungen von Menschen. (Matth.15,9)

Laßt euch nicht so schnell die Besinnung rauben und euch schrecken, weder durch eine Geistesoffenbarung noch durch ein angebliches Wort oder Schreiben von uns, als stünde der Tag des Herrn nahe bevor. Niemand führe euch irre auf irgendeine Weise. (2.Thess.2,2.3)

Es gab aber auch falsche Propheten unter dem Volke, wie es auch unter euch falsche Lehrer geben wird, die verderbliche Irrlehren aufbringen und den Herrn verleugnen werden, der sie erkauft hat. Sie bereiten sich selbst ein jähes Verderben. (2.Petr.2,1-3)

Darum sage: So spricht der Gebieter und Herr: Weil ihr Trug redet und Lüge schaut, siehe, darum schreite ich gegen euch ein… Ich strecke meine Hand wider die Propheten aus, die Trug schauen und Lüge wahrsagen. In der Gemeinschaft meines Volkes sollen sie nicht mehr bleiben und in die Liste des Hauses Israel nicht eingeschrieben werden, und zum Lande Israel sollen sie nicht gelangen. Alsdann werdet ihr erkennen, daß ich der Gebieter und Herr bin. Sie leiten ja mein Volk in die Irre, indem sie Heil sprechen, wo doch kein Heil vorliegt. (Hes.13,8-10)

Es sind die biblischen Warnungen und Hinweise zu dem angesprochenen Thema so umfassend, daß es zu entscheiden schwerfällt, auf welche Texte man verzichten soll. Abschließend noch ein Hinweis, NW-Übers.:

5. Mose 18:20-22 20: Der Prophet jedoch, der sich anmaßt, in meinem Namen ein Wort zu reden, das zu reden ich ihm nicht geboten habe, oder der im Namen anderer Götter redet, dieser Prophet soll sterben. 21 Und falls du in deinem Herzen sagen solltest: „Wie werden wir das Wort erkennen, das Jehova nicht geredet hat?“ — 22 wenn der Prophet im Namen Jehovas redet, und das Wort trifft nicht ein oder bewahrheitet sich nicht, so ist dieses das Wort, das Jehova nicht geredet hat. Mit Vermessenheit hat der Prophet es geredet. Du sollst vor ihm nicht erschrecken.

Wer gesundes Mißtrauen pflegt, kommt der Wahrheit näher! Laßt Euch nicht weiterhin in ein uniformes Denksystem pressen, laßt Euch vielmehr zum „Einssein mit Christus“ führen (Gal.3,28; Joh.17,21). Christus macht frei von jeder Überschätzung menschlicher Systeme, auch von einer Organisation, die sich allein von Gott gebraucht einschätzt.

Gott schenke es, daß Ihr die christliche Freiheit in Eurem eigenen Leben erfahren könnt. Reicher Segen möge Euch dabei begleiten!

Fragen, kopiert aus dem Internet:

Sehr geehrte Frau Lutter,

ich denke, dass Sie ehrlich bemüht sind, Antworten auf Fragen, die sie beschäftigen, zu finden. Sicherlich sind viele Fragen in unserem Leben bis her noch nicht korrekt zu formulieren, geschweige denn konkret zu klären.

Andere Fragen können jedoch zumindest konkret formuliert werden und haben somit die Aussicht auf eine erschöpfende Beantwortung

Auch ich habe eine ganze Menge unbeantworteter Fragen, vielleicht können Sie mir weiterhelfen:

1.

Was sollte ein Mensch höher bewerten, sein persönliches Gewissen oder
die Anweisungen einer Organisation?

2.

Wie sollte sich ein Mensch verhalten, wenn sich zwischen seinem
ureigenen persönlichem Gewissen gegenüber Gott und der Organisation
Differenzen ergeben?

3.

Was meinen Sie, woran kann man einen falschen Propheten erkennen und
wie würden sie das biblisch begründen?

4.

Wie wirkt Ihrer Meinung nach der Geist Gottes, international gleich
oder regional verschieden?

5.

Es gibt und gab konkrete Hinweise, dass die Lehren der Zeugen Jehovas
bezüglich 1914 geschichtlich nachweislich unstimmig sind. Können Sie
diese Lehre weiterhin ruhigen Gewissens vertreten?

6.

Ist Ihnen bekannt, auf welche Art und Weise Raymund Franz,
jahrzehntelanges Mitglied der leitenden Körperschaft, aus der
Organisation entfernt wurde?

7.

Was hätten Sie an seiner Stelle unternommen, wenn Sie seinen
Kenntnisstand gehabt hätten, hätten Sie wider besseres Wissen
geschwiegen?

8.

Im Nachhinein hat es sich heraus gestellt, dass R. Franz
hinsichtlich seiner Warnungen an seine Mitbrüder bezüglich der
Generationsfrage recht hatte. Hätten seine Mitbrüder auf ihn gehört,
wären der Wachtturm-Gesellschaft viele hochnotpeinliche Erklärungen
erspart geblieben.

Bitte erklären Sie mir auch, warum ihn die Wachtturm –
Gesellschaft nicht im Sinne des Gleichnisses vom verlorenen Sohn
vollständig rehabilitiert?

9.

Verwenden Sie weiterhin Bücher der Wachtturm-Gesellschaft, die
überwiegend von R. Franz zusammengestellt wurden, ( z.B. „Hilfe zum
Verständnis der Bibel“ ) wenn ja, wie sehen sie dies in Verbindung mit
der Aufforderung der Wachtturm-Gesellschaft, keine Literatur von
Abtrünnigen zu lesen?

10.

Bitte erklären Sie mir konkret auf biblischer Basis, warum Sie keinen
Geburtstag feiern.

11.

Bitte erklären Sie mir, warum eine Anweisung aus dem mosaischen Gesetz,
kein Tierblut zu verzehren, von der Wachtturm-Gesellschaft auf die
Übertragung von menschlichem Blut angewendet wird.

12.

Bitte erklären Sie mir die biblische Aussage, dass Jesus nach eigenem
Bekunden der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen ist, die
Wachtturm-Gesellschaft ebenfalls den Anspruch erhebt, der Kanal
Gottes zu sein?

13.

Warum haben sich die Lehren der Wachtturmgesellschaft in entscheidenden
Punkten sehr oft geändert, und zwar nicht im Sinne eines immer heller
werdenden Lichtes, sondern im Sinne von gegenteiligen Auslegungen?
( 1914, 1975, Generation, Neutralitätsfrage, Römer 13 : 1,2, etc. )
Welchen Geist machen Sie für die jeweiligen konträren Auslegungen
verantwortlich?

Dies sind aufrichtige Fragen, ich bekenne, hierauf keine Antworten zu
haben. Ich versichere Ihnen, dass ich gerne jede Antwort akzeptiere,
die biblisch begründet ist und nicht über das hinaus geht, was
geschrieben steht.

Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich die Mühe machen, zu diesen
Fragen ernsthaft Stellung zu nehmen. Sicher können eine Menge Mitleser
von Ihren biblisch begründeten Antworten profitieren.

Mit freundlichen Grüßen

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Sprechen über Erinnerungen an eine autoritäre Religionsgemeinschaft

Zitat- Hinweis, GANZER Buchinhalt hier zu lesen:

http://cid-6efbd807a5efda45.office.live.com/view.aspx/Mein%20Leben%20als%20Zeuge%20Jehova%5EJ%20Autor%20Gerd/Buch-ZJ%20aktualisiert%20Mai%202005.doc

Erinnerungen an eine autoritäre Religionsgemeinschaft

Unterstützung durch Leidensgenossen

Nun begann für meine Familie und andere Aussteiger, die Zeit der Neuorientierung. Mit der naheliegenden Überlegung einer Rückkehr zur Kirche oder irgend einer der zahlreichen Freikirchen und Gemeinschaften hatten wir große Mühe. Zu lange wurden wir vor solchen gewarnt, manche wurden auch regelrecht verteufelt. Dieses Denkschema ist bei Aussteigern fest verwurzelt. Daher blieben wir allen kleinen und großen „Übeln“ fern. Nur keine neue feste Bindung eingehen, redeten wir uns ständig ein. Diese Einstellung verursacht aber auch Probleme. Die Schlußfolgerung „ich muß wo dabei sein“, geschieht häufig aus der heutigen Sicht. Was haben denn Christen vor 1000 Jahren gemacht? Die zahlreichen evangelischen Kirchen und Freikirchen existierten noch nicht. Viele Neuzeitchristen schaudern bei dem Gedanken, sie hätten vor mehr als 500 Jahren eigentlich nur die Möglichkeit gehabt, Gemeinschaft in Verbindung mit der katholischen Kirche zu pflegen. War es anders möglich? Vielleicht trafen sich die Gläubigen in kleinen Zirkeln. Einen „Hauskreis“ im heutigen Sinn, kann man sich schwer vorstellen. Immer wieder gingen uns alle diese Überlegungen durch den Sinn. Hatte Jesus nicht gesagt: „Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters“ (Matth.28,20). War er vor 1000 Jahren also auch bei den Gläubigen der katholischen Kirche? Das würde eine Zeuge verneinen, um sich anschließend in Hypothesen zu verlieren.

Nach unserem endgültigen Bruch mit der WTG, besuchte uns ein ZJ-Ehepaar aus Tübingen. Auch sie wollten nicht länger die Märchen des Sklaven schlucken. Bei dieser Gelegenheit brachten sie Schriften vom „Bruderdienst“ mit, in denen besonders die ZJ und ihre Organisation kritisch beleuchtet werden. Als ich die Artikel durchlas, fand ich die Antwort auf die Fragen, die auch uns bewegten. Deshalb nahm ich Kontakt mit dem Herausgeber auf.

Aus diesem Briefwechsel entstand dann für mich eine enge Zusammenarbeit mit diesem gläubigen Bruder.

Die anfänglichen Gefühle der Vereinsamung fanden ein schnelles Ende. Seit einigen Jahren treffen Ex-ZJ einander. Wir bezeichnen diese Begegnungen scherzend mit „unsere Kongresse“. Dort können wir uns aussprechen – und wenn es sein muß – auch ausweinen. Sprechen wir doch die gleiche Sprache. Wir bezeichneten dieses Zusammentreffen anfänglich als „Selbsthilfegruppe“, ein Bruder meinte es wäre besser diese als „Gotthilfegruppe“ zu bezeichnen. Denn nur die Hilfe von oben zählt wirklich.

Etliche Fragen und Überlegungen, die uns bedrängten, brachten wir zu Papier. Manches davon ist in den Heften „Brücke zum Menschen“ erschienen. Eines der größten Probleme, das Aussteiger „umtreibt“, ist dies: Wie kann ich etwas  t u n  für Gott? Gibt es die Möglichkeit, außerhalb der ZJ-Organisation für Jesus Christus „Zeugnis zu geben“? Oder ist dazu nicht  j e d e r  Christ berufen? Lehrt die Bibel, alle Christen seien verpflichtet von Haus zu Haus zu gehen, um zu predigen und Schriften zu verbreiten? Wo nur kann man außerhalb der Organisation „Zeugnisgeben“? Diese Denkweise veranlaßte ursprünglich meinen Chef, ein Buch zu schreiben. Später entdeckten wir, wie sehr wir noch immer Opfer der WT-Einflüsterungen waren.

Vereint hinüberleben?

Vereint bleiben, um in das Millennium hinüberzuleben: Nur Jehovas Zeugen — die Glieder des gesalbten Überrests und die „große Volksmenge“ — haben als vereinte Organisation unter dem Schutz des höchsten Organisators die biblische Hoffnung, das nahe bevorstehende Ende des zum Untergang verurteilten, von Satan, dem Teufel, beherrschten Systems zu überleben. (WT, 1.9.1989, S. 19)

Der Wachtturm behauptet das, und die Abhängigen glauben es. Wie schon gezeigt, bringen ZJ die Überlebensfrage eng mit ihrer Predigttätigkeit in Zusammenhang. Es handelt sich um eine „Organisation von Predigern und Lehrern“ behauptet der WT, 1.12.1975, S. 717. Jeder Gläubige sei nach dem Neuen Testament zugleich ein ordinierter Prediger, und darum ist das bei den ZJ heute auch so. Stimmt das wirklich? Haben alle Christen die gleiche Aufgabe – haben alle zu predigen – und garantiert diese Tätigkeit gleichzeitig das Hinüberleben in eine bessere Welt?

Wie immer ZJ es halten mögen, in den frühen christlichen Gemeinden war das Predigen und Lehren nur bestimmten (ausgewählten) Personen vorbehalten. Das Neue Testament zeigt, und das ist auch in der NW-Ü. so nachzulesen: „… er (Christus) gab einige als Apostel, einige als Propheten,  e i n i g e  als Evangelisten,  e i n i g e  als Hirten und Lehrer“ (Eph.4,11). Kein Zweifel: Nur  e i n i g e  hatten ein Predigt- und Lehramt, nicht jeder! Und vor allem: Niemals hatten alle das gleiche Amt. Gegen jede Art von Gleichschaltung wendet sich der Apostel Pau1us mit den Worten: „… Sind etwa alle Apostel? alle Propheten? alle Lehrer? haben alle Wunderkräfte?“ (1. Kor.12,28.29). Diese klaren Aussagen müßten an sich genügen, um zu beweisen, daß es in den frühchristlichen Gemeinden eine Vielzahl verschiedener Ämter und Gaben gegeben hat und daher die Behauptung falsch ist, das Predigen und Lehren fiele allen Christen sozusagen als Einheitsaufgabe zu.

Als Gegenargument verweist man gern auf den Missions- und Taufbefehl des auferstandenen Christus: „Geht daher hin und macht Jünger …, indem ihr sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes tauft und sie lehrt, alles zu halten, was ich euch geboten habe.“ (Matth.28,19 f.) Dieser Auftrag ist nicht der Gemeinde als Ganzes gegeben, sondern, wie der Zusammenhang zeigt, den „elf Jüngern“, den Aposteln. Wenn aber das Taufen nicht Aufgabe aller, sondern Sache der Apostel und der von ihnen später berufenen Personen war, dann aber auch das mit dem Taufbefehl verbundene „Lehren“ und Predigen. Ein Blick in die Apostelgeschichte zeigt, wie sehr das Werden und Wachsen der frühen Kirche ein Werk des erhöhten Christus durch seine  A p o s t e l  und deren engere Mitarbeiter gewesen ist. Nicht umsonst lautet der ursprüngliche Name der Apostelgeschichte „Acta“ d.h. „Die Taten“ (der Apostel). Wohl ist dann auch die Rede von den Wirkungen der apostolischen Predigt: Da kamen Menschen zum Glauben an Jesus, manchmal in großer Zahl. Von ihnen ist manches zu berichten: „Sie blieben beständig in der Apostel-Lehre, in der Gemeinschaft, beim Brotbrechen und im Gebet.“ (Apg.2,42). Auch ist von ihnen gesagt, daß sie sich „täglich im Tempel versammelten“ und „hin und her in den Häusern das Brot brachen“ (2,46). Nirgends aber heißt es, daß die Apostel sie ausgesandt hätten, öffentlich zu predigen! Wenn die ZJ meinen, damals hätten alle gepredigt, würde es dann nicht in diesem Zusammenhang mit erwähnt worden sein? Statt dessen berichtet die Apg. weiterhin Seite für Seite von der Verkündigung der Apostel und ihrer Mitarbeiter. So bekennt Paulus einmal beim Abschied von einer Gemeinde in einem „Rechenschaftsbericht“, er habe nicht versäumt, zu lehren und zu predigen „öffentlich und in den Häusern“ (Apg.20,20).

Seht, sagen die Zeugen, zumindest er ging also auch – wie wir heute – von Haus zu Haus, um zu predigen. „Von Haus zu Haus“ steht aber gar nicht da, sondern „öffentlich und in den Häusern“, d.h. doch, er predigte sowohl in öffentlichen Bereichen (im Tempel, auf Märkten und Plätzen), als auch in Privathäusern. Dennoch macht die NW-Übersetzung, die Bibel der ZJ, daraus ein „von Haus zu Haus“, weil es ihren Urhebern als zweckmäßig erscheint. Müßten sie aber dann nicht konsequenterweise auch Apg. 2,46 („Sie brachen das Brot hin und her in den Häusern“) so übersetzen: „Sie brachen das Brot von Haus zu Haus“? Warum tun sie’s hier nicht? Daß die frühen Christen das Abendmahl oder ein Liebesmahl oder einfach das „tägliche Brot“ (je nachdem, wie man das ,Brotbrechen‘ deutet) von Haus zu Haus „eingenommen“ hätten, will auch ihnen nicht einleuchten. Daher übersetzen sie hier plötzlich: „… in Privathäusern“. Was sie hier tun, hätten sie auch dort tun müssen. Jedenfalls: Für ein organisiertes Predigen aller Gläubigen läßt sich aus dem Neuen Testament kein Auftrag herleiten, schon gar nicht für das Predigen von Haus zu Haus. Auch der Rückgriff auf Jesu eigenes Wirken und auf die Aussendung seiner zwölf Jünger und später der siebzig (Luk. 8 ff.) kann dies nicht bringen. Nirgendwo ist gesagt, daß es sich um ein „Von-Haus-zu-Haus-Gehen“ nach heutiger Hausiererart gehandelt habe. Das hatte Jesus selbst gar nicht nötig, wenn er „Stadt und Dorf durchzog“. Wenn er kam dann lief: „…das Volk herzu, und es kamen etliche Tausend zusammen.“ Wozu sollte er sie da überhaupt noch von Tür zu Tür aufsuchen? Den siebzig Jüngern hatte Jesus sogar den ausdrücklichen Auftrag gegeben: „Ihr sollt nicht von einem Haus zum andern gehen.“ (Luk. 10,7). Für das von den ZJ behauptete „Von-Tür-zu-Tür-Gehen“ fehlt im Neuen Testament jede Spur.

Etwas ganz anderes ist die Bereitschaft zum persönlichen Zeugnis. Die frühe Kirchengeschichte weiß zu berichten, daß das Christentum häufig durch das persönliche Bekenntnis zu Jesus aus dem Munde schlichter gläubiger Männer und Frauen von Stadt zu Stadt und von Land zu Land getragen wurde. Kleine Händler und reiche Kaufleute, aber auch um ihres Glaubens willen Verfolgte, wurden auf diese Weise zu Missionaren. Wenn die Apostelgeschichte erzählt: Die durch Verfolgung zerstreuten Gläubigen zogen umher und predigten das Wort (Apg.8, 4.11.19), so dürfte es sich dabei um ein solches spontanes persönliches Christuszeugnis handeln, bei dem ausgesprochen wurde, wovon das Herz voll war.

Der Apostel Paulus hat in Röm.10 die bekannten Worte gesagt: „Wer mit dem Herzen glaubt, der ist gerecht, und wer mit dem Munde bekennt, der wird errettet.“ Das unorganisierte persönliche Zeugnis eines schlichten Gläubigen – diese „Wohltat der Unabsichtlichkeit“ – ist bis heute viel überzeugender, als manch ausgefeilte Predigt, die in der „Predigtdienstschule“ eingelernt wird. Wenn Paulus auch davon spricht, daß Christen „leuchten wie Lichter in der Welt“, so ist dabei nicht allein an das  m ü n d l i c h e  Zeugnisgeben gedacht, sondern an unser Wirken durch unser ganzes Sein. Wichtig ist nicht nur,  d a ß  gepredigt wird, sondern auch  w a s  wir predigen.

Ausstiegsschwierigkeiten

Inzwischen hatte auch Richard mit seiner Familie die Organisation freiwillig verlassen. Er ließ alle „Ermunterer“ schon an der Haustüre abblitzen. Ihn störten ebenfalls die seltsamen Bibelauslegungen und die Vorschriften der WTG. Als Beispiel zeigte er mir zwei „Leserfragen“ im WT. Es ging dabei um die Frage, ob eine Organtransplantation zulässig sei. Vor einigen Jahren wurde diese Frage noch positiv beantwortet und sogar mit aktiver Nächstenliebe in Verbindung gebracht. Die gleiche Frage wurde im WT nochmals gestellt, diesmal befanden die Hüter über das Wohl der „Schafe“, daß dies eine Form des „Kannibalismus“ und daher abzulehnen sei.

Oft ist es nur ein kleiner Anstoß und ganze Familien fliehen aus der WTG. Leider führt es auch zu schmerzlichen Trennungen innerhalb einer Familie, wenn ein Teil bei den ZJ bleibt, der andere weggeht. Das wird „geteiltes Haus“ genannt. Da wird dann der WTG-treue Partner bedauert, dem Aussteiger verpassen sie das Schandmal der Abtrünnigkeit. Die dafür genannten Motive sind unterschiedlich, meist unlautere. In meiner Heimatversammlung wurde mein Ausschluß öffentlich bekannt gemacht, die kuriose Begründung: ich sei ein „falscher Prophet“! Obwohl ich nie etwas prophezeite. Auch dieses unchristliche Verhalten ist alt und verwerflich, es ist als die „Haltet den Dieb!“ -Methode bekannt. All das ärgerte mich anfänglich, schließlich war es nur eine Bestätigung, wie berechtigt doch mein Exodus aus dieser Organisation war.

Heute habe ich den Eindruck, daß die WTG mit dem Austeilen der „Eselstritte“ sparsamer umgeht. Das ist oft zum Nachteil der Zweifler in ihren Reihen. Es wird für diese oft zum Schrecken ohne Ende. Sie schleppen sich weiterhin zu den Zusammenkünften und schütteln dort heimlich ihren Kopf oder ballen die Faust in der Hosentasche. Sie kommen nicht los, weil sie eben anderswo keine Alternative sehen. Oft beginnen dann bei sensiblen Personen die Schuldgefühle und sie enden womöglich in der Nervenklinik oder gar im Selbstmord. Dabei wurde festgestellt, daß besonders Personen betroffen sind, die starken inneren Anteil an dieser Gemeinschaft haben. Kinder, die darin groß wurden, jedoch innerlich keine strenge Bindung aufbauten, gehen meist ohne psychische Probleme weg. Im Gegenteil, sie fühlen sich dann wie von einer Last befreit.

Nun ein Appell an Außenstehende, die vielleicht Verwandte oder Freunde in dieser Organisation haben: Es ist zwecklos oft sogar schädlich, mit ungeeigneten Mitteln helfen zu wollen. Der Aussteiger sucht primär nach einer Alternativgruppe, am liebsten wäre ihm eine, die 1 : 1 der gewohnten Organisation entspricht, mit allen „richtigen“ Lehren und netten Leuten, jedoch ohne den WT-Unsinnigkeiten, sowie den strengen Vorschriften.

Seit einigen Jahren lade ich Zweifler in den deutschen Schwarzwald zu einer „Begegnung“ ein. Dort wird auf die Hauptperson des christlichen Glaubens verwiesen, auf Jesus Christus! Keine Gemeinschaft, keine Organisation, kein Kult, niemand hat das Recht, ihm diese Stellung streitig zu machen! Als „gebrannte Kinder“ stehen wir auch liberalen Gruppen ziemlich mißtrauisch gegenüber. Wer auf dem Herzen ein Brandmal hat, meidet das Feuer, zugegebenermaßen geschieht dies auch in übertriebener Weise.

Tips eines kritischen Zeugen Jehovas

Zu den erwähnten Schwarzwaldtreffen, kommt seit wenigen Jahren ein Bruder. Er besucht noch immer die ZJ-Versammlungen. Trotz aller Zweifel an der WTG, will er den Kontakt zu den Verwandten und Freunden nicht abrupt abbrechen. Er hat Erfahrungen, u.a. auch als Ältester, von mehr als 50 Jahren. Einige seiner Anregungen und Überlegungen, die ich als Brief erhielt:

Wenn ein Familienglied oder Freund sich Jehovas Zeugen nähert, dann reagieren die Angehörigen und Freunde in aller Regel falsch. Sie bemerken, daß sich der Umworbene verhaltensmäßig verändert hat, verschlossen wird und verheimlicht, was ihn nun bewegt. Die Angehörigen reagieren mit Sorge und Entsetzen. Es gibt Vorwürfe und Vorhaltungen, Versuche zur Aufklärung über diese schlimme ,Sekte‘. Es werden Ultimaten gestellt und Drohungen geäußert. Solche unüberlegten, oft instinktiven Reaktionen, unterstützen ungewollt die Ziele der Organisation. Die Anwärter sind rechtzeitig darauf vorbereitet worden. Geduld und Liebe sind erforderlich, der Betroffene soll fühlen, daß er nach wie vor geachtet, geschätzt und geliebt wird. Man sollte die Hoffnung auf einen künftigen Ausstieg nie aufgeben.

Das ehemalige Mitglied der Mun-Sekte, Steven Hassan, nennt dazu drei Punkte: 1. guten Kontakt und Vertrauen aufbauen, 2. Informationen sammeln, 3. Zweifel über die Sekte säen und die Entstehung einer neuen Perspektive fördern. Danach kann das Problem der Durchbrechung der Bewußtseins- und Gedankenkontrolle, den vorgegebenen Denkschemata, angegangen werden. Nach langjähriger Zugehörigkeit, verfliegt bei Sektenanhängern oft die erste Begeisterung. So manche Enttäuschung hat sich eingestellt, der Machtanspruch und –mißbrauch, werden durchschaut. Dann wird nach Hilfe gesucht. Folgende Reaktion wäre völlig falsch: „Ich habe dich doch immer vor dieser gefährlichen Sekte gewarnt!“. (…)

Sinnvoller wäre ein Gespräch über die Unstimmigkeiten in der Selbstdarstellung und Lehre der ZJ und ein Nachdenken über den Sinn der Kontrollmechanismen und ethischer Vorschriften.

Ein Gesprächsvorschlag: Lehränderungen der ZJ, zahlreich und von schwerwiegenden Auswirkungen, werden immer mit dem „neuen Licht“ erklärt. Dabei stützen sie sich auf einen Text in Sprüche 4,18. Wenn man diesen Text jedoch mit Vers 19 im Zusammenhang liest, dann sieht man ohne Schwierigkeit, daß hier ein Gerechter einem Gesetzlosen gegenübergestellt wird. Von Lehränderungen wird jedoch in keiner Weise gesprochen. Die vielen Änderungen machen oft die vorherigen Standpunkte und Lehren der WTG hinfällig. Sie werden nicht selten ins Gegenteil verkehrt. Ist so etwas ein „neues Licht“? Wer war dann verantwortlich für das „alte – falsche – Licht“? Kommt das von einem Gott, bei dem es keine Veränderungen gibt? Darf dieses „Licht“ hinterfragt und geprüft werden, oder ist dann die Einheit in Gefahr? Warum die große Angst, wenn man doch „die Wahrheit“ hat? Muß Wahrheit das Licht scheuen?

Bis vor wenigen Jahren sollten ZJ weder Bücher von „Ehemaligen“, den Abtrünnigen, lesen, noch deren Vorträge besuchen. Begründet auf den Text in 2.Johannes 9-11, wurde dies als geistige Gemeinschaft mit den betreffenden Personen angesehen. Wenn dem so ist, wieso kann die WTG jetzt Sondererlaubnisse für Mitglieder des „Informationsdienstes“ ausstellen? Diese dürfen nun solche Veranstaltungen besuchen und sich Ansprachen anhören. Gibt es vielleicht dazu irgend eine neue Anweisung Gottes?

Was geschieht eigentlich mit Menschen, die jahrelang, vielleicht sogar bis zu ihrem Tod, glaubten, was sich heute als „altes Licht“ erwiesen hat? ZJ machen auf Irrtümer bei anderen Gruppen immer aufmerksam und erklären, diese seien in der falschen Religion. Wie steht es da mit dem gleichen Maßstab, auf den Jesus unmißverständlich hinwies? (Matth.7,2). Ich bin bereit, Hilfesuchenden zur Verfügung zu stehen, oder versuche Hilfe zu vermitteln.

Den Aussagen dieses Briefes kann ich mich nur anschließen. Es wäre wünschenswert, wenn viele Menschen sich gut über die ZJ informieren, um gegen ihre Indoktrinationen gewappnet zu sein.

ZJ-Zweiflern möchte ich Mut machen, den Kontakt zu Gleichgesinnten zu suchen und über den Tellerrand der angeblichen „Wahrheiten“ hinauszuschauen.

Meine eigene Geschichte und die vieler anderer Aussteiger zeigen zum Glück, daß das eigene kritische Denken und die Unterstützung von wahren Freunden zur Freiheit führen können.

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Nachtrag speziell für Psychologen, bei der Frage „wie soll ich helfen?“

Korrespondenzprotokoll aus:

http://forum.sektenausstieg.net/index.php?topic=18060.0

Auslöser:

Gerd

Frage
an Psychologen!

« am:
Februar 06, 2009, 09:51:12 »

Bei der Textkorrektur einer Übersetzung aus dem
Schwedischen, fiel mir der Bericht von „Maja“ auf, die nach  dem Ausstieg von
den Zeugen Jehovas therapeutische Hilfe suchte und eine echte professionelle
Wegleitung nicht bekam. Weil die Psychologen offensichtlich mit dieser Form von
Therapie  nicht vertraut waren.

Vielleicht könnte uns Dieter Rohmann Tipps geben, was in Schweden
verabsäumt wurde – Danke im Voraus!
Textauszug:

…Sie war nach einem
Treffen am Vortag mit einem Psychologen des städtischen psychosozialen Dienstes
sehr erregt. Wie gewöhnlich musste sie den Glauben der Zeugen Jehovas von Anfang
an erklären, obwohl der Psychologe versichert hatte, er sei über die
Sektenproblematik wohl informiert. Dann stellte er ihren Hilfebedarf infrage und
beendete das Treffen, indem er sagte, Majas Problem sei wirklich nicht das
Schlimmste, das er gesehen habe – er habe einen Fall eines apathischen Burschen
behandelt und das sei richtig schlimm gewesen. Maja dankte für die Analyse und
ging heim. Apathisch. Maja weiß, dass sie einen gesammelten Eindruck macht, aber
der Psychologe dürfte nicht erkannt haben, wie akut das Problem bei ihr
eigentlich war. Wäre sie völlig zusammengebrochen, so wäre die Reaktion
vielleicht anders gewesen.
„Aber als Zeuge Jehovas ist man dazu erzogen,
sich zusammenzureißen und wohl formuliert zu sprechen. Es ist auch mit sehr viel
Angst beladen, als Erwachsener der Zeugen Jehovas in der Gesellschaft und unter
Menschen außerhalb der Zeugen Jehovas Hilfe zu suchen.“
[…]
Nach und nach
wurde es wichtig und notwendig für Maja, eine Therapie aufzusuchen. Eines
Sommers war sie wegen Depression krank geschrieben und wagte sich nicht aus dem
Haus. Sie meinte, anderen Menschen würde es schlecht gehen, wenn sie sie sähen.
„Ich wollte Hilfe haben, um meine Wunden zu heilen und aufzuhören, in meinem
Suchen nach Sicherheit  destruktiv zu handeln. Ich benötigte Hilfe, um mich
selbst zu finden.“
Aber diese Hilfe zu finden erwies sich als sehr
schwierig. Teils ist es fast völlig unmöglich, eine Gesprächstherapie zu
bekommen, teils gibt es bei Therapeuten sehr wenige Kenntnisse darüber, welche
Probleme eine Person haben kann, die in einer Sekte aufgewachsen ist. In vielen
Fällen hat Maja nur antidepressive Medikamente bekommen, die ihrer Meinung nach
überhaupt nicht geholfen haben. Nach vielen Versuchen gelang es ihr schließlich,
bei einem Therapeuten in Stockholm einen Termin zu bekommen. Als sie das erste
Mal dort war, füllte sie ein Formular von mehreren Seiten mit vielen extremen
Fragen aus, wie: „Wie oft hast du Selbstmordgedanken?“  Der Therapeut wollte
hauptsächlich über antidepressive Medikaments sprechen. Bis die 45 Minuten zu
Ende waren, konnte Maja nicht sehr viel über sich selbst berichten.
In der
Woche darauf bekam sie zu ihrer Enttäuschung wieder dasselbe Formular, und als
es ausgefüllt war, zeigte sich, dass sich seit dem letzten Mal einige Kreuze
verändert hatten. Der Therapeut sagte, dies sei ein positives Zeichen, und
meinte, es sähe nun besser aus. Dann wollte er die Dosis der antidepressiven
Medikamente erhöhen, obwohl Maja sagte, dies helfe nicht. Als er dann endlich zu
reden anfing und das Gespräch vom letzten Mal wieder aufnahm, hatte der
Therapeut ihre ganze Geschichte vergessen.
„Das war nicht OK, meine ich.
Ich sagte, ich hätte keinerlei Vertrauen zu ihm und er könne mir nicht helfen.
Dann ging ich fort.“ Zitatende

Titel des Buches: Leben um zu sterben

aufgewachsen als Zeuge Jehovas

Susi
1

« Antworten #1
am:
Februar 06, 2009, 19:54:40 »

Hallo Gerd,

es gibt nur ganz wenige
Ausstiegsberater wie Rohmann !

Es gibt in Deutschland zwei Lager von
Fachleuten:
1.) Die einen kennen die Methoden der Sekten und ihre
Folgen.
2.) Die anderen wollen davon gar nichts hören.

Und die 2ten
sind in der Überzahl.
Das haben wir selber erlebt.
Ich habe als
Angehöriger einer krankgemachten Tochter versucht die ganze Geschichte den
Fachleuten im Krankenhaus zu erkären mit Beweisstücken. Aber die Ärzte hatten
kein Interesse oder auch keine Zeit z.B. 40 Terrorbriefe und Gedächnisprotokolle
zu lesen und darüber zu sprechen. Die Briefe zeigen auf mit welchen
abscheulichen absolut widersprüchlichen Methoden der fast 50 Jahre ältere
Sektenführer gearbeitet  hat.
Zeitungsartikel über dei Sekte oder die Seiten
der Sekte haben die Ärzte nciht interessiert. Viele Menschen sind ganz hart
attackiert worden von dem Sektenführer. Andere hat er versucht mit Prozessen
kaputt zu machen.

Unsere Erfahrung ist das ganz schnell von den
Psychiatern Medikamente gegeben werden, die aber die Ursachen nicht beheben, in
einigen Fällen bei zu schnellen Absetzen zu extremen Entzugserscheinungen
führen. Wenn einer völlig druchgeknallt ist oder total suizidgefährdet ist, sind
diese Medikamente absolut angebracht.

Ärzte , Psychologen, oder
pschologische Psychiater ( die keine Medikamente geben) , die sich mit
Sektenmanipulation auskennen , gibt es fast nicht.

Gerd

Danke Susi,

das deckt sich mit dem Bericht von
Maja.

Werde Dieter Rohmann per PN auf diese Fragen und Thread aufmerksam
machen.

Schönen Abend!
Gerd

peter

Moin Gerd,

ich schließe mich Susis Statement
vorbehaltlos an!

So schätze ich ebenfalls die Situation ein. Leider ist
das der Fall.
In der Absicht zu helfen, habe ich dein Anliegen zweimal
durchgelesen,
aber ich habe da real keinen brauchbaren Ansatz zu
bieten.

Gruß an dich und „Ein erholsames
Wochenende!“

Peter

rohmann


Umwege erhöhen die
Ortskenntnis.

« Antworten #4
am:
Heute um 17:44:58
»

Hallo Gerd,

tja…das wird nicht
leicht….

Wie so oft im Leben gibt es auch hier mehrere
Gründe.

Auf der einen Seite Maja = Hineingeborenes
Kultmitglied:

Maja ist aufgewachsen in der Wertewelt des Kults und hat
kein gelebtes Leben vor dem Kult.
D.h. sie hat keinerlei
Vergleichsmöglichkeit. Sie glaubt was ihr gesagt und vorgelebt wurde.
Was
bleibt ihr denn auch sonst übrig?
Ihre ständigen Begleiter werden Angst,
Scham, Schuld und die verzweifelte Hoffnung, dass alles bald vorübergeht umd
sich der Einsatz gelohnt hat.

Sie hat
nie gelernt, ihr Leben differenziert zu betrachten, Perspektiven zu wechseln,
Fehler als Chance zu verstehen und sich selbst als wertvoll zu
empfinden.

Nun begegnet sie in Ihrer Ausstiegsphase z.B. einem
Psychologen.
Beide sprechen eine total unterschiedliche Sprache
(Konnotation), kommen aus gänzlich unterschiedlichen Wertewelten und sind sich
schlichtweg fremd.
Maja gelingt es – aufgrund ihrer Vergangenheit – nicht,
mitzuteilen was sie braucht und dem Psychologen einen klaren Auftrag zu
erteilen. Das kann sie deshalb nicht, weil ihr dafür die adäquaten Worte fehlen.

Also ein echtes Kommunikationsproblem.

Auf der anderen Seite haben
wir z.B. den Psychologen:
Der musste in mind. 7 Semestern alle gängigen
Störungsbilder, deren Ätiologie, Verlauf, Diagnose und Behandlung verstehen
lernen. Wird mit einer Fülle an Informationen konfrontiert und ist heilfroh
diese erfolgreich einsetzen zu können. Bewusstseinskontrolle, Konformität,
Gehorsamkeit etc. bezogen auf sog. Sekten und Kulte sind – wenn überhaupt – nur
Randphänomene im Laufe eines Universitätsstudiums.

Es ist schlichtweg
eine Frage des Schwerpunkts.
http://www.kulte.de/3stufenframeset.html

Freie
Psychologen wählen i.d.R. einen spezifischen Schwerpunkt ihrer therapeutischen
Tätigkeit (Depressionen, Phobien, Angst-Panikstörungen, Borderline, Essstörung,
Drogenabhängigkeit, etc.).
Es ist einfach nicht möglich, in allen Bereichen
gleich kompetent zu sein!
Deshalb hätte Maja sich einen aussuchen sollen, der
wirklich Ahnung von Manipulation, Nicht-Stofflicher Abhängigkeit, Religion,
Missbrauch etc. hat.
Dafür haben wir hier in D. z.B.:

http://www.psychotherapiesuche.de
(Therapeutensuche
anklicken, dann Spezialsuche. Dann erscheint auch der Begriff Sektenaussteiger).

Psychologen in
herkömmlichen Beratungsstellen haben keinen Schwerpunkt gewählt.
Sie müssen
viele Störungsbereiche (Scheidungsproblematik, Eheprobleme, Erziehungsprobleme,
Drogen, Depressionen etc.) gleichzeitig abdecken können. Je nach Bedarf/Problem
der Ratsuchenden.

Ganz einfach gesagt.
Kein freier Psychologe könnte
davon leben, wenn er seinen Schwerpunkt nur auf sog. Sekten
und Kulte
ausgerichtet hätte. Unmöglich.

Maja muss lernen zu sagen was sie braucht
und der Psychologe sollte lernen ihre Signale richtig zu interpretieren.

Beide müssen dafür aber auch Bereitschaft mitbringen.

Ein Fehler der
Kollegen war übrigens auch, dass sie nicht an kompetentere Kollegen
weitervermittelt haben.

Ich hoffe, ein wenig zur Klärung beigetragen zu
haben.

Mit einem Gruß aus München,
Dieter
Rohmann.

Gerd

Vielen Dank, Dieter,

jetzt wird einiges
verständlich und führt auch zum Verständnis für die Therapeuten in der
angeführten Situation.

Es ist wie bei anderen Beschwerden, hat mans z.B.
auf der Lunge, dann braucht man einen Lungenfacharzt.

Ich werde diesen
Schriftwechsel an die UNI-Wien zu den Spezialisten für Sektenprobleme weiter
leiten.

Nochmals herzlichen Dank und liebe Grüße nordwärts

Gerd


 

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Erinnerungen an eine autoritäre Religionsgemeinschaft

Titel:      Mein Leben als Zeuge Jehovas

 

                Bericht eines Aussteigers

Leittext innen: „Wo Zweifel ist, da ist
Freiheit“ lat. Sprichwort

 

Verwendete Abkürzungen:

WTG = Wachtturm Bibel- und
Traktat-Gesellschaft. Das ist die deutsche Bezeichnung des Zweiges der US-amerikanischen
Watch Tower Bible & Tract Society. Gegründet 1881 durch Charles Taze
Russell, mit dem Hauptbüro in Brooklyn, New York. Jetziger Präsident: Milton G.
Henschel. Deutscher Zweig: Selters/Taunus.

 

ZJ = „Zeugen Jehovas“: Diese Benennung wurde
den Anhängern der Internationalen Bibelforscher-Vereinigung 1931 erstmals von
der WTG vorgeschlagen. Auf dem Kongreß in Columbus (Ohio, USA) durch eine
Resolution der Anwesenden offiziell angenommen. Zur Begründung wird auf Jes.
43,12 verwiesen.

 

WT = „Der Wachtturm“, neben der
Schwesternzeitschrift „Erwachet!“ und dem internen Instruktionsblatt „Unser
Königreichsdienst“, das offizielle Organ der ZJ. Der WT erschien erstmals 1879,
heute erscheint er 14tägig in 130 Sprachen. Durchschnittliche Auflage einer Ausgabe
(1999): 22 328 000.

 

Vorwort

 

„Allein bin ich nichts; gemeinsam sind wir
stark!“


Dieser Satz drückt haargenau das aus, was die
sogenannten „Wir-Menschen“ empfinden. Diese Leute kommen mit ihrem „Ich“
alleine nicht zurecht. Sie brauchen zur Entfaltung ihrer Persönlichkeit das
Dazugehören – zu einem Verein, einer Partei, einer Organisation – oder
dergleichen. Dann sprechen sie voll Stolz von „unserer Gruppe“, unserer
„Partei“, unserer „Bewegung“, unserer „Kirche“, unserer „Organisation“.
„Gemeinsam sind wir stark, gemeinsam lösen wir alle Probleme“. Dieses
Wohlgefühl sollte doch nicht wie eine Pflanze im Verborgenen blühen, davon muß
einfach alle Welt erfahren. All die Einsamen, all die Verlorenen, was entgeht
ihnen doch, wenn sie nicht unserer Bewegung angehören.

Zugehörigkeit erzeugt ein prima Gefühl. Diese
Neigung beginnt schon in frühester Jugend. Schnell identifiziert sich ein Junge
mit einem bestimmten Sportverein, ein Mädchen mit irgend einem Club. Auch viele
politische Parteien hatten und haben dieses Bedürfnis der Menschen immer wieder
für ihre Zwecke ausgenützt. Viele Menschen sehnen sich nach dem
sprichwörtlichen „starken Mann“, der führt und diktiert. Eine breite Masse
folgt mit Begeisterung. Die Führernaturen entlasten ihr Gewissen, indem sie
alle Verantwortung auf die Mitläufer übertragen. Gibt es das nur in der
Politik?

Nicht nur in der Gegenwart, auch in der
Vergangenheit haben immer wieder religiöse Menschen verschiedenster
Bekenntnisse erfolgreich versucht, das Potential der Gläubigen in ihre
Institutionen hineinzulocken. Vielen „Gottsuchern“ kommt das sogar entgegen.
Gemeinschaft zu pflegen ist etwas Schönes. Zugehörigkeit baut viele
zwischenmenschliche Beziehungen auf. Bedenklich wird es dann, wenn die
Gemeinschaft eine narkotisierende Wirkung auf die Mitläufer ausübt.
Gemeinschaft kann eben aus diesem Grund gefährlich werden. Wird mit
ideologischer Beeinflußung das selbständige Denken der Mitläufer
beeinträchtigt, dann ist dies zumeist der erste Schritt zur Abhängigkeit.
Richtig gefährlich wird es aber, wenn die Entwicklung der eigenen
Persönlichkeit blockiert wird.

 

Hier beginne ich nun, meine eigene
Vergangenheit Revue passieren zu lassen, vom anfänglichen Mitmacher, der im
Laufe der Zeit so etwas wie ein Mittäter wird. Zuerst wird man „verführt“,
indem man eine völlig neue Sicht der Dinge bekommt, genießt dann eine sehr gute
Ausbildung und danach wird man selbst zum perfekten „Verführer“. So ergeht es
vielen Gläubigen in den verschiedensten Gruppen und Sekten. Zunächst wurde ich
Opfer und dann Täter, ohne mir dessen bewußt zu werden, in – oder durch – die
Organisation der Zeugen Jehovas.

Wie der harmonische Einstieg begann, wie ich
viele liebe Menschen kennenlernte, wie ich mich 17 Jahre lang ziemlich geborgen
fühlte, bis mir gewissermaßen „ein Licht“ aufging, soll auf folgenden Seiten
von mir nacherlebt und  –erzählt werden.

Vorher noch eine Ergänzung: Mein freiwilliger
Weggang von der Organisation der Zeugen Jehovas liegt nun schon einige Zeit
zurück. Der Ausstieg erfolgte nicht aufgrund irgend eines Streites oder einer
Auseinandersetzung mit meinen Mitbrüdern und -schwestern. Es waren vielmehr die
vielen Hinweise und Warnungen in der Bibel, die mich zum Exodus aufriefen. Ein
Verbleiben hätte in mir nur das Gefühl einer Mitschuld verstärkt. Ich wollte
künftig keine Kräfte unterstützen, vor denen der Sohn Gottes eindringlich
warnt!

Durch Kontakte mit vielen ehemaligen Zeugen
Jehovas – vor allem in Deutschland – hat sich inzwischen eine Selbsthilfegruppe
gebildet. In dieser fand ich neue Geborgenheit und ein ehrenamtliches
Betätigungsfeld.

Aussteigerforen im Internet, ersteres vornehmlich von Ex-Zeugen gestaltet, die in der Zwischenzeit Agnostiker, bzw. Atheisten wurden:

http://www.sektenausstieg.net/

http://www.razyboard.com/system/user_gachenmaus.html

 

Nachfolgende Analyse der Wachtturm
Organisation erfolgte nicht nur aus dem Blickwinkel der Vergangenheit. Aktuelle
Bezugnahmen auf das „neue Licht“ dieser Gemeinschaft soll belegen, daß der
autoritäre Kurs schon vor etwa 80 Jahren seinen Anfang nahm und in der
Folgezeit konsequent fortgesetzt und erweitert wurde. Vielleicht empfindet
mancher Anhänger anderer Gruppen, daß er ebenso manipuliert wurde oder noch
wird.

 

Hüter der Wahrheit ?

 

Man kennt sie. Sie stehen gerne an
öffentlichen Plätzen, vor U-Bahnstationen oder Bahnhöfen. Wortlos bieten sie
ihre religiösen Hefte an. Dort werden sie von den Menschen meist ignoriert,
manchmal belächelt. Das macht ihnen jedoch nichts aus, denn sie haben
routinemäßig schon längst eine „dicke Haut“ bekommen. Vielen Menschen gehen sie
auf die Nerven, wenn sie Sonntag morgens, zu „nachtschlafener“ Zeit, an ihren
Türen klingeln. Wenn beim Streitgespräch auch noch der Sonntagsbraten anbrennt,
ist auch die letzte Bewunderung für das mutige Predigervolk dahin. Am liebsten
würden die Leute diese „Hausierer“ die Treppe hinunter werfen. Meist reagieren
die Wohnungsinhaber jedoch nur verbal, alles andere als freundlich. Da denken
diese Prediger aber sofort an den Satz des Mannes aus Nazaret: „Haben sie mich
verfolgt, dann werden sie auch euch verfolgen“. Daher empfinden sie jedes
Schimpfwort gegen sie wie ein Lob von höchster Stelle. Lob mögen sie sehr.
Kommt das nicht von oben, dann loben sie sich gerne selbst. In einer ihrer Schriften
stellen sie sich selbst das Prädikat „einzigartig“ aus. So etwas hilft über
viele Klippen der Anpöbelungen hinweg. Ihren Kollegen – den Brüdern und
Schwestern – geht es weltweit genauso. Auf den großen Kongressen treffen sie
einander. Da umarmen sich Schwarze und Weiße, Juden und Araber. Ihr „Grüß
Dich!“ ist immer herzlich, das Lächeln kaum erzwungen. Eine heile Welt?


Genauso glücklich wie die Zeugen Jehovas sind
auch die Gläubigen in anderen kleinen Gruppen, die von Außenstehenden als
„Sekten“ bezeichnet werden. Keiner innerhalb dieser Gruppen hat jemals das
Empfinden, in einer „Sekte“ zu sein. Für Zeugen Jehovas sind nur alle anderen
Gemeinschaften „Sekten“. Sie selbst haben das Gefühl, ein Teil von „Gottes
Organisation“ zu sein. Darauf sind sie stolz.


In ihrer Paradezeitschrift „Der Wachtturm“ –
gewissermaßen ihr „Amtsblatt“ – werden ihre Erfolge immer penibel aufgelistet.
In der Februarausgabe 2005 wird eine „Verkündigerzunahme“ von weltweit 2,0 %
ausgewiesen. Insgesamt ergeben sich daraus 6.513.132 Anhänger.

Ein Statistiker hat ihre Ziffern für
Deutschland durchleuchtet. Demnach gab es in den letzten Jahren einen Rückschritt.
Dieser ist aber winzig, ein Minus von 0.39 %; das wird ihnen nicht weh tun.
Trotzdem gibt das zu denken, die Zunahmen der letzten Jahre sind gestoppt. Eine
Trendwende? Die 165.201 „Verkündiger“ in Deutschland werden in ihren
Versammlungen künftig noch besser geschult und angeleitet werden, das Manko
wieder wettzumachen.

Wie kommen sie bei den etablierten Kirchen in
Deutschland an? Für die über 27 Millionen Mitglieder der Evangelischen Kirche
und den etwa gleich vielen Katholiken sind sie ein Dorn im Auge. Besonders ihre
aggressive Werbestrategie bereitet den großen Mitbewerbern Kopfzerbrechen.

Die Zeugen fügen ihnen gerne Wunden zu. Nach
meinem Weggang von dieser Organisation wurde ich in einem Ausbildungszentrum
für katholische Geistliche gefragt, was denn die Zeugen so sehr an den Kirchen
erregt. Meine Antwort war der Standardtext, den ich als Zeuge an den Türen
gerne zitierte. Jesus Christus in Johannes 13,35: 

Daran werden alle erkennen, daß ihr meine
Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.

Dann kurzer Hinweis auf die Verwicklung der
Kirchen in den großen Kriegen der Vergangenheit, Jünger gegen Jünger. Diese
Hinweise verfehlen ihre Wirkung nicht. Auch die genannten Katholiken nickten
mir beifällig zu.

Zahlreiche „Bibelforscher“ sind im ersten
Weltkrieg auch noch zu den Waffen geeilt, das habe ich an den Türen nie
erwähnt, denn ich wusste es nicht. Das wird in „Jehovas Organisation“ in der
Regel verheimlicht, wie vieles andere was die eigene Vergangenheit angeht.
Daher ist es wichtig, zuerst einmal einen Blick dorthin zu tun. 

Historischer
Rückblick
 

Fragt man einen
Zeugen Jehovas, wie seine „theokratische Organisation“ geleitet wird, so
antwortet er in der Regel etwa so: „Jehova selbst leitet sie durch Jesus
Christus. Dieser aber bedient sich – seit den Tagen der Urkirche – einer
leitenden Körperschaft (l. K.). Zwar endete diese theokratische Form der
Führung seit dem Ableben der Apostel, doch seit der Wiederentdeckung
„biblischer Grundwahrheiten“ durch C. T. Russell, den Gründer und ersten
Präsidenten der Wachtturm-Gesellschaft (WTG), wird Gottes Volk wieder durch
eine leitende Körperschaft „theokratisch“ geführt.“ Woher nimmt der Zeuge
Jehovas diese Überzeugung? Sie wurde ihm seit seiner Unterweisung im
Heimbibelstudium durch die Wachtturm-Schriften immer und immer wieder in der
einen oder anderen Form nähergebracht, z. B. in der Ausgabe des Wachtturms (WT)
vom 1.April 1977, Seite 206-208. Nachdem der WT zu zeigen versuchte, daß es
schon in der Zeit der frühen apostolischen Gemeinden eine leitende Körperschaft
gab, behauptet er ihre Wiedereinführung seit den Tagen C.T. Russells und ihr
Fortbestehen über die Ära von Rutherford und der Präsidentschaft von N. H.
Knorr hinaus:

 

„In den
vergangenen Jahren war die leitende Körperschaft der Klasse des ‚treuen und
verständigen Sklaven‘ stets eng mit der als Watch Tower Bible and Tract Society
of Pennsylvania bekannten Körperschaft verbunden. Diese Körperschaft, die im
Jahre 1884 zum erstenmal gesetzlich eingetragen wurde, kümmert sich um die
wichtigsten Angelegenheiten der Zeugen Jehovas in der ganzen Welt. Ohne Zweifel
war ihr erster Präsident, C. T. Russell, in der Zeit, in der den biblischen
Grundwahrheiten unter Gottes treuen Anbetern auf der Erde wieder Geltung
verschafft wurde, ein besonderes Werkzeug Jehovas. Dann, in den Jahren 1917 bis
1942, diente J. F. Rutherford als Präsident, und er kämpfte mutig gegen die
Bemühungen der Christenheit, Gottes organisiertes Volk in Verruf zu bringen und
es zu vernichten. Im Jahre 1942 setzte N. H.Knorr, der damalige Präsident der
WTG, tatkräftig einen weltweiten biblischen Erziehungsfeldzug in Gang. Die
administrative Tätigkeit dieser treuen Männer und ihrer Mitarbeiter in der
leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas ist von Jehova wunderbar gesegnet
worden.“ (WT, 1.4.1977, S. 207, Abs.15).

Also: Russell, Rutherford, Knorr und Franz –
jeweils in ihrer Zeit – Mitarbeiter in der leitenden Körperschaft? Grau, sagt
man, ist alle Theorie. Es stellt sich nun die Frage: Wie sieht die Wirklichkeit
aus?

Definition des Sektenbegriffs durch C.T. Russell 

Solange eine Gruppe klein ist, kann sie auf feste Strukturen verzichten. Da treffen sich die Anhänger noch ganz zwanglos. Werden „göttliche“ Ziele – wie bei der WTG – angestrebt, dann kommen Aufgaben auf die einzelnen Sympathisanten zu. Funktionen werden übernommen, Funktionäre werden geboren. Zusammenkünfte müssen organisiert, Treffpunkte festgelegt, Räume gemietet werden. Redner halten Ansprachen, es wird gesungen und gebetet, kurz: eine Organisation ist entstanden. Es wird geplant und organisiert, Aufgaben werden zugeteilt. Das alles ist nichts verwerfliches. Auch der WTG kann niemand das Recht absprechen, eigene Meinungen zu haben, sie zu äußern oder drucken zu lassen. Kommen in Programmen und Zielen jedoch fragwürdige Erklärungen vor, dann sollte Mißtrauen einsetzen. Etwa die unqualifizierten Beweise für eine alleinige Führung durch Gott Jehova. Wer selbst Kriterien für seine Legitimation festlegt, macht sich verdächtig, in Vermessenheit zu behaupten von Gott legitimiert zu sein. Wer das tut, muß sich gefallen lassen, besonders kritisch unter die Lupe genommen zu werden. Wenn Exegesen und Verständnisfragen – nicht das ausdrückliche Wort Gottes – zu Prüfsteinen werden, an denen sich die Echtheit christlicher Nachfolge entscheidet, dann ist die Gruppe unweigerlich zur „Sekte“ geworden. Daher ist die Definition Russells zum Begriff Sekte sehr aufschlußreich. Es folgen Zitate aus seinem Buch „Dein Königreich komme“, 1904, S. 173.

Da heißt es einleitend, daß „jedermann der sich irgendeiner dieser menschlichen Organisationen anschließt“ auch deren Glaubensbekenntnis als das seine annimmt. Damit beginnt eine „freiwillige Knechtschaft und sie lassen andere für sich denken“. Wenn sie das nicht tun wollen, müßten sie aus der Sekte wieder austreten. Das erfordert jedoch „Gnade und kostet einige Anstrengungen“. Die in der Sekte sagen dann von diesem, er sei ein „Verräter oder Unbeständiger“. Dann schreibt er wörtlich:

Er geht weiter ins Detail und spricht von „Fesseln und Ketten“ derer sich das Sektentum bedient.

Wie würde Russell rückblickend – er starb 1916 – seine eigenen Schriften und die Struktur „seiner“ heutigen Gemeinschaft beurteilen? Diese sitzt am hohen Roß und genießt eine Ausnahmestellung, sie sind sogar „einzigartig“, laut WT vom 15.1.1992, S. 24:

JEHOVAS ZEUGEN sind in vielerlei Hinsicht einzigartig. Nur sie sprechen die „reine Sprache“ (Zephanja 3:9). Nur sie bilden eine Einheit und weisen das Unterscheidungsmerkmal auf, das Jesus Christus beschrieb: die Liebe (Johannes 13:35). Und nur sie genießen die Freiheit, die gemäß den in Johannes 8:32 aufgezeichneten Worten Jesu Christi die Wahrheit mit sich bringt.

„Nur sie…“, solche Sätze sprechen für sich. Traurig ist nur, daß dies von WT-Artikelschreibern und dem Großteil ihrer Leserschaft geglaubt wird. Ich gehörte einige Jahre auch zu solch „Gläubigen“…

Zurück zum besonderen Jahr 1914. Was „prophezeite“ Russell:

Für Russell stand fest: bis 1914 läuft das „christliche Zeitalter aus“ und dann findet die Schlacht Gottes, „Harmagedon“ (aus Offenbarung 16), statt. Wir wissen heute, daß nichts zutraf. In keinem der Bücher Russells, kündigte er etwa einen weltlichen Krieg an, von einem „Weltkrieg“ ganz zu schweigen. Wie reagierte Russell und wie seine Nachfolger?

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Der „falsche Prophet“ muß gestehen 

Als 1914 nichts geschah, was Russell in seinem Wunschdenken erhoffte, sah er sich gezwungen klein beizugeben. Aber man beachte nun die Art des „Rückziehers“. Im Vorwort der Neuauflage seines Buches „Die Zeit ist herbeigekommen“ (Ausgabe 1926, S. 7), mußte der „Prophet“ bekennen:

Anstelle einer offenen und ehrlichen Entschuldigung für die falschen Voraussagen, wurde mit beispielloser Unverfrorenheit das Fiasko in einen Gottessegen verkehrt! Gibt es im Bibelbericht irgendwo einen Hinweis, daß Gott (Jehova) sich irgendwelcher Falschvoraussagen bedient, um sie dann in einen „Segen“ für sein Volk zu verwenden?

Jesaja 5:20-21 20: Wehe denen, die sagen, daß Gutes böse sei und Böses gut sei, denen, die Finsternis als Licht hinstellen und Licht als Finsternis, denen, die Bitteres als Süßes hinstellen und Süßes als Bitteres! 21 Wehe denen, die in ihren eigenen Augen weise sind und sogar vor ihrem eigenen Angesicht verständig!

 

Ist die heutige WTG ehrlicher als Russell? 

Sind die Nachfolger Russells aufrichtiger, oder zumindest klüger geworden? Man beachte wie die WTG die Ereignisse um 1914 heute darstellt. Auszug aus dem Jahrbuch der ZJ 1974, S. 79:

Der bis dahin mörderischste Krieg der Menschheitsgeschichte war ausgebrochen, ein Krieg, den Historiker zum erstenmal als einen „Weltkrieg“ bezeichneten. Für viele kam der Krieg wie ein Blitz aus heiterem Himmel, und genauso plötzlich wurden die Spötter zum Schweigen gebracht… Sie [die „Bibelforscher“] hatten diese Ereignisse erwartet, ja nicht nur das, sie hatten sie im Auftrage Jehovas anderen angekündigt… Die Zeitungen triumphierten schon und brachten einen Schmähartikel nach dem anderen über die wahrhaft Gläubigen, die für 1914 den Weltuntergang prophezeit hatten. Damals standen wir in einem heftigen Kreuzfeuer. Aber durch Gottes Güte und Macht vermochten wir allen Anfeindungen zu widerstehen… Nun waren wir in den Augen unserer Gegner auf einmal die größten Propheten geworden.

Da werden in der WTG aus falschen, plötzlich die „größten“ Propheten, wie ist das nur möglich?

Die Frage nochmals gestellt: sind die Nachfolger Russells wenigstens klüger geworden? Sein unmittelbarer Nachfolger als Präsident der WTG, der „Richter“ Rutherford, blieb jedenfalls im gleichen Fahrwasser. Auch er war ein „biblischer Rechner“, natürlich mit Fehlresultaten.

 

Beginn der autoritären Struktur 

An die Stelle der von Russell betonten „freiwilligen Vereinigung“, in der es „keine gebietende Autorität geben sollte“ (weil das ja doch nur „nach Art und Weise der Welt geschehen würde“), trat nun die vom „Richter“ straff geführte „theokratische Organisation“, nach Art und Weise dieser Welt. Zu dem Zweck setzte die WTG seit 1922 den gewählten Ältesten in den Versammlungen jeweils einen „Erntewerksvorsteher“ vor die Nase. Diesem stellte sie einen Bücherverwalter und einen Kassenführer zur Seite. „Auf diese Weise hat jede Versammlung stets einen kompetenten Vertreter der Gesellschaft in ihrer Mitte“, räsoniert der WT von 1922, Seite 143. Von nun an wird natürlich nicht mehr demokratisch gewählt, sondern „theokratisch“ eingesetzt, „von oben nach unten“.

„Die Versammlung schlägt vor, und das Bibelhaus wählt. Der Erntewerksvorsteher verbleibt solange in diesem Dienste, als das Bibelhaus ihn darin beläßt“ (WT 1923, S. 239).

Wie jeder ZJ weiß, nahm „die Gesellschaft“ den Versammlungen später auch noch das Recht, selber die Vorschläge zu unterbreiten. Statt dessen besorgt dies bis auf diesen Tag der „Beauftragte der Gesellschaft“, der Kreisaufseher, anläßlich seiner „Dienstwoche“, die er in der Orts-Versammlung durchführt. Doch eine perfekte Diktatur kann sich nicht mit organisatorischen Änderungen begnügen; vielmehr sucht sie auf Gesinnung und Glauben der einzelnen unmittelbar Einfluß – und Macht – auszuüben. Darum konnten vom Jahre 1926 an, die im Auftrag der WTG reisenden Beauftragten, damals noch „Pilgerbrüder“ genannt, nicht mehr frei entscheiden. In ihren Rundschreiben „an alle lieben Pilgerbrüder“ vom 22.9.1926, spricht Rutherford sogar von einer Forderung.

„Weil unsere verschiedenen direkten und indirekten Bitten in der Vergangenheit nicht beachtet wurden… Unsere Forderung, liebe Brüder, ist nicht mehr und nicht weniger, als daß alle Pilgerbrüder sich ohne Ausnahme bei ihren Ausführungen immer mehr an den Stoff, wie er im Wachtturm gebracht wird, halten möchten.“

Somit ist das heutige „Wachtturmstudium“ das Werk des Diktators Rutherford! Bis heute gilt auch bei den Zeugen Jehovas als Dauerregel, was der damalige Rundbrief den „lieben Pilgerbrüdern“ mehr fordernd als fördernd ans Herz legte. Sie seien:

„nicht dazu da, eigene Auslegungen zu bringen, sondern ihre vornehmste Aufgabe ist, den Geschwistern zu helfen, die Darlegungen des Wachtturms zu verstehen. Alles aber, was sich auf entgegengesetzten Bahnen bewegt oder meint, Dinge bringen zu müssen, die dem Wachtturm voraus sind, ist eine Gefahr und kann nur dazu beitragen, die Geschwister zu beunruhigen…“

Und die Begründung für diese Festlegung auf die eine Quelle der Wahrheitsfindung? Sie lautet in dem Rundschreiben:

„Das Werk des Herrn ist ein Ganzes, und die Belehrungen, die der Herr seinem Volke gibt, kommen aus einer Quelle, dem Wachtturm“

Hatte Russell noch erklärt, die Kirche werde dereinst (nämlich nach ihrer Verherrlichung bei Jesu Wiederkunft!) „mit Macht bekleidet“ und  d a n n  „keine Republik, sondern ein Königreich sein“, keine Demokratie, sondern eine Theokratie, so wollte Rutherford dies alles schon hier und jetzt. Der Gipfel seiner Herrschaftsansprüche findet sich in der Zeitschrift „Consolation“ (Trost), dem heutigen „Erwachet!“, vom 4.9.1940, wo es auf Seite 25 heißt:

Die Theokratie ist die verheißene Administration der Angelegenheiten der Erde durch Jehova Gott, den Schöpfer, durch den für diesen Zweck gesalbten König, Christus Jesus. Jene Theokratie ist jetzt auf Erden in Funktion. Die Theokratie wird in der Gegenwart geleitet durch die WATCH TOWER BIBLE AND TRACT SOCIETY, von der Richter Rutherford der Präsident und Chefmanager ist!

Die Gesellschaft und ihr Präsident! Doch von einer leitenden Körperschaft fehlt immer noch jede Spur. Auf der gleichen Seite dieser Zeitschrift erscheint eine Besprechung des damals gerade neu erschienenen Buches Rutherfords: „Religion“, in dem der Autor „die Botschafter der Theokratie“ aufruft:

Die theokratische Regierung marschiert triumphierend voran. Tu deinen Anteil daran mit Freuden!

Spätestens an dieser Stelle, kann man den Einwand heutiger ZJ hören:

„Was redet ihr so viel von den Entwicklungen damals, als ja das ´Licht´ noch nicht so hell sein konnte. Entscheidend ist doch, daß Jehovas Zeugen  h e u t e  eine leitende Körperschaft haben, die das Werk Gottes auf Erden leitet.“

Eine leitende Körperschaft heute? Was ist denn nun anders geworden seit der Präsidentschaft Russells und Rutherfords? Man könnte meinen, mit den im WT vom April 1977 angekündigten Neuerungen sei eine Wandlung – von der Präsidialdiktatur zu einer Art kollektiver Führung – eingetreten. Damals hob der WT vor allem dies hervor:

Um dem Bedürfnis nach weiterer Ausdehnung gerecht zu werden, wurde im Jahre 1971 die Zahl der „älteren Männer“, die als leitende Körperschaft dienten, von sieben [das sind die Direktoren der Watch Tower Society] auf insgesamt elf erhöht.

Die damalige zahlenmäßige „Aufstockung“ des Wachtturm-Direktoriums bedeutete keine wirkliche Abkehr von der Alleinherrschaft des WTG-Präsidenten. Ab sofort hatte der „Richter“ alle Schäfchen gut im Griff.

 

Weitere „biblische“ Voraussagen 

Es wurde ab 1916 fast jedes nachfolgende Jahr mit irgend einer Verheißung „bemüht“, aber Rutherfords denkwürdigstes Jahr ist 1925. Zunächst war 1918 vergangen, es erfüllte sich nicht das vorausgesagte „göttliche Gericht“. Auch 1920 wurden keine Königreiche und Republiken „durch Revolution und Anarchie verschlungen“, wie weltweit prophezeit. Dafür kommt 1925, oder davor, „die große Krisis“. Der WT vom Januar 1923, S. 15:

Die „Beweise“ waren nun keineswegs mehr so dürftig wie früher, sondern 1925 ist in der „Schrift“ (der „Heiligen“ wohlgemerkt!) noch deutlicher angezeigt, so hieß es immer wieder. 1920 schrieb Rutherford eine Broschüre mit dem verheißungsvollen Titel: „Millionen jetzt lebender Menschen werden nie sterben“. Solche Aussagen sprechen viele Sterbliche an und hatten entsprechende Wirkung. Darin (S. 80) kommt es ganz dick:

1925 würden also treue Männer des A.T. und andere „Würdige“ zur Erde – durch Auferstehung – zurückkehren. Das wurde den Anhängern weis gemacht. 

Die WTG-Spitze glaubt an ihre eigene Botschaft 

Hier erhebt sich schon die Frage, glauben denn diese Leute was sie sich ausdenken? Diese Frage stellte ich einmal den ehemaligen „Zweigaufsehern“ der WTG von Österreich, sowie von Belgien/Luxemburg – Walter Voigt und Maurice Fleury. Beide gaben spontan die Antwort, daß sowohl Russell und Rutherford, wie auch die späteren Präsidenten der WTG, an ihre „Sendung“ glauben.

In den 1920er Jahren machte sich Rutherford echte Sorgen, wo die zu erwartenden Auferstehenden künftig wohnen werden. Deshalb kaufte er (natürlich nicht von seinem Geld) eine große Villa für Abraham und die anderen „alttestamentlichen Überwinder“ – klarerweise in USA – wo denn sonst? Da gab es natürlich Spott von außenstehenden Beobachtern. Aber diese würden sich gehörig täuschen – meinte er in seinem Buch „Die neue Welt“, S. 104:

Andere Christen wurden damals geringschätzig als „Religionisten“ bezeichnet. Diese würden mit den „Zähnen knirschen“, dachten der selbsternannte Prophet. Vielleicht ist diesen „Religionisten“ nach der neuerlichen Pleite, jedes Lächeln vergangen, war das ganze doch eher zum Weinen. Wie mir ZJ-Augenzeugen berichteten, sind viele Bibelforscher damals in schwarzer Kleidung zu den Friedhöfen gepilgert, um dabei zu sein wenn die „Alten“ auferstehen. „Abrahams Villa“ diente später Rutherford als Heimstätte. Weder Abraham noch Isaak leisteten ihm dort Gesellschaft. Fleury erzählte mir, daß sich nach dem Tode Rutherfords, in den 1940er Jahren, der Verkauf der Villa äußerst schwierig gestaltete. Der Grund? Im „weltlichen“ Grundbuch waren als Eigentümer nämlich Abraham & Sohn eingetragen… 

Wie die WTG falsche Prophezeiungen verarbeitet 

Wie wurde das Problem solcher „Altlasten“ später aufgearbeitet? Im Jahrbuch der WTG 1980, S. 63 druckten sie Sequenzen ab, die für sich sprechen:

Ein Anzeichen für diese Prüfung war eine Fragestunde, die Bruder Rutherford auf einem Kongreß in Basel abhielt, der vom 1. bis 3. Mai 1926 stattfand. In dem Bericht über diesen Kongreß hieß es:

„Frage: Sind die Alttestamentlichen Überwinder schon auferstanden?

Antwort: Sicherlich sind sie noch nicht auferstanden. Niemand hat sie gesehen. Es wäre töricht, eine gegenteilige Behauptung aufzustellen. Im Millionen- und Trostbüchlein wurde gesagt, daß man sie vernünftigerweise kurz nach 1925 erwarten dürfe. Aber dies wurde nur als Meinung ausgesprochen.“

Man hatte einen Fehler gemacht, doch wie Bruder Rutherford erklärte, war dies kein Grund, aufzuhören, dem Herrn zu dienen. Einige taten dies dennoch, und so gab es in dieser Zeit weitere Sichtungen im französischen Gebiet.

Zuerst sind es „Tatsachen“, die später – siehe oben – in eine „Meinung“ umgewandelt wird. Dazu kam noch der „Vorteil“, daß gleich eine „Sichtung“ erfolgen konnte. Also hinaus mit allen Kritikern! Daß dabei mit Menschenschicksalen jongliert wurde, sei nur am Rande bemerkt. Es ist überhaupt ein Wunder, daß in der heutigen aufgeschlossenen Zeit, solche Gemeinschaften am Leben bleiben können und nicht sofort wieder von der Bildfläche verschwinden.

Unter der Präsidentschaft des Nachfolgers von Rutherford,  N. H. Knorr, begann dann meine …

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Erinnerungen an eine autoritäre Religionsgemeinschaft

Meine Geschichte:

Erste Kontakte

Jemand sagte einmal: die gefährlichste Lüge sei die halbe Wahrheit. Wie wahr! Das lernte ich erst später begreifen.

Der Anfang folgender „Lektionen“ war eigentlich recht harmonisch. Ich war in einem grafischen Unternehmen tätig, dort lernte ich „die Wahrheit“ durch einen Kollegen kennen. Zuerst wurde der gute Hans – so hieß er – als Spinner belächelt, wenn er versuchte, uns rüdem Haufen die „Botschaft“ zu erzählen. Mit 19 Jahren war ich auch einer der Spötter, aber Hans war bereits geschult und vor allem geduldig. Er ließ nicht locker und blieb immer freundlich und war niemals verärgert. Das imponierte mir und einigen Kollegen sehr. So beeindruckte mich, wie Hans an seinen freien Tagen mutig an den Türen fremder Leute klopfte, um ihnen von einem Königreich, das bald kommen sollte, und von einem Paradies auf Erden erzählte. Im Laufe der Zeit ärgerte ich mich über Kollegen, die diesen herrlichen Zukunftsaussichten nur mit Spott und Hohn begegneten.

Diese Eindrücke waren sogar ausschlaggebend, daß ich noch schneller ein ZJ wurde. Mir gingen viele Bibelstellen durch den Kopf, die mir Hans erzählte. Davon imponierte mir besonders die Vorhersage Jesu über die Zerstörung Jerusalems. Die Erfüllung erfolgte 40 Jahre nach der Vorhersage durch Römische Heerscharen. Die Bibel erschien mir als interessantes Buch, das ich besser kennen lernen wollte.

Nun begann der für „Einsteiger“ übliche Lauf der Dinge. Zunächst der Besuch einer Zusammenkunft in dem Wiener Bezirk, wo Hans lebte.

Meiner Pflegemutter gefiel diese Entwicklung gar nicht. Daher warnte sie mich und meinte, ich solle mich doch nicht von einer Sekte umgarnen lassen. Da bezog ich zum ersten Mal Stellung. Also, die ZJ sind eine christliche Gruppe und haben mit einer Sekte überhaupt nichts zu tun! Das hatte ich schon gelernt: Sekte bedeutet „Ausschnitt eines Ganzen“, das wird durch das Wort „Sektor“ erkennbar. Da sich die Zeugen jedoch nicht von irgendeiner Kirche abspalteten, sind sie auch kein Sektor von diesen, ergo keine Sekte! So argumentierte ich zornig.

Ein bißchen verschüchtert ging ich zum ersten Mal mit Hans in seine Heimatversammlung, in den „Königreichssaal“. Ich harrte der Dinge, die da auf mich zukommen würden. Hans stellte mich jungen ZJ vor, und diese waren ausnehmend nett zu mir. Den Vortrag hielt ein „Kreisaufseher“, ein gebürtiger Däne. Der sprach recht gut deutsch, und er nahm die christlichen Kirchen besonders kritisch aufs Korn. Etwa mit dem Ausspruch Jesu, man soll sich von keinem Blinden führen lassen, denn dann fallen beide in eine Grube. Die Kirchenleute sind doch lauter Blinde, „laßt euch doch nicht von diesen führen und verführen!“ rief Bruder Pedersen in den Saal. Bei mir zuhause war man auf „die Kirchen“ auch nie gut zu sprechen, daher gefielen mir solche Ansichten.

Lächeln mußten die Anwesenden, als er folgende Bibelstelle zitierte: „du Fauler, nimm dir ein Beispiel an der fleißigen Ameise“. Der deutschen Grammatik folgend, ist von „der“ Ameise die Rede, der gute Mann hat dann immer nur von „der Ameise“ gesprochen: „…der Ameise zeigt uns, wie wir fleißig die Botschaft vom Königreich predigen müssen“. Die Lockerheit, mit der solche Versprecher hingenommen wurden, machte die Zusammenkünfte recht gemütlich, was mir jungem Menschen gefiel. Bei vielen Ansprachen wurde herzlich gelacht. Das erinnert mich an einen älteren Bruder, der die Vorzüge der „neuen Welt“ gegenüber der alten Welt, folgendermaßen verglich: „Die alte Welt ist wie ein Trauerhaus, die neue Welt wird dagegen wie ein Freudenhaus sein“. Diese Parabel ging buchstäblich in die Hose, das Gelächter der Zuhörer war bis zur Straße zu hören.

Später wurde ich selbst Opfer eines Versprechers. Wir blödelten oft und vertauschten in Wörtern die Buchstaben. So habe ich sogar den Ausspruch Jesu „…sammelt euch Schätze im Himmel, wo diese nicht durch Motte und Rost verzehrt werden“, so verkehrt, daß die Wörter „Rotte“ und „Most“ hießen. Peinlich war nur, daß mir das bei einem öffentlichen Vortrag genau so herausrutschte. Dazu kam, daß mir nach dem ersten Schreck nicht einfiel, wie das korrekt heißt. Ein Zuhörer half mir durch Zuruf. Plötzlich waren alle munter und hatten heitere Gesichter. Vorträge am frühen Nachmittag, ergehen häufig zu friedlich Schlafenden.

Noch so ein Versprecher: Anstelle von „Gnade“ übersetzt die „Neue-Welt-Übersetzung“ der ZJ, dieses an sich verständliche Wort, mit „unverdienter Güte“. Im Scherz veränderte ich dies auf „unverdünnte Giete“. Als mir dies bei einem Vortrag so über die Lippen kam, gab ich diesen zweifelhaften Humor auf.

Doch bevor ich über die Zeit als Vortragsredner berichte, komme ich zurück zu meinem Einstieg „in die Wahrheit“.

 

Lauter aufrichtige Menschen

 

Inzwischen war mir der Besuch in einem anderen Bezirk zu beschwerlich, daher beschloß ich, den Königreichssaal in meinem Heimatbezirk aufzusuchen. Dieser befand sich in einem Keller. Bevor ich in Tiefe hinabstieg, vergewisserte ich mich noch beim Haustor, ob nicht zufällig irgendein Bekannter mich dort beobachtet. Das wäre mir, auch bei wachsender Sympathie zu den Zeugen, immer noch peinlich gewesen. Diese ängstliche Einstellung legte sich aber nach einiger Zeit.

An diesem Sonntag waren zum öffentlichen Vortrag schon viele Zuhörer anwesend. Mir blieb nicht verborgen, daß die älteren Leute, vornehmlich Frauen, ihre Blicke verstohlen auf mich richteten. Der Bann war jedoch bald gebrochen, als Richard zu mir kam. Dieser getaufte Zeuge Jehovas war ungefähr in meinem Alter. Nachdem er sich vorgestellt hatte, fanden wir auch schnell zu einem Thema, das uns beide interessierte. Richard war nicht zufällig zu mir gekommen. Wie ich später entdeckte, wird alles von wachsamen „reifen“ Brüdern gesteuert. Wie auch immer, mit Richard verstand ich mich prächtig und die Freundschaft, die uns auch später verband, war auf meinem Weg in dieser Gemeinschaft äußerst wichtig. Nicht nur für mich, auch für Richard.

 

Das Heimbibelstudium

 

Mein Kollege Hans hatte schon entsprechend interveniert und so wurde ich „Interessierter“ der Schwester Maria zugeteilt. Sie sollte mit mir ein „Heimbibelstudium“ durchführen. Sie ist einige Jahre älter als ich, verheiratet und hatte eine hübsche Tochter. Regelmäßig wurde ich nun mit der Bibel vertraut gemacht. Im Vordergrund des „Studiums“ stand aber nicht die Bibel allein, wie ich erwartete, sondern ein Buch der WTG. In einem eher primitiven Verfahren, gibt es für die einzelnen Absätze Fragen in den Fußzeilen, die Antworten kann sich der „Schüler“ markieren. Diese werden aus dem jeweiligen Absatz herausgelesen. Mit dieser simplen Methode, lernte ich nebenbei auch noch Teile der Bibel kennen. Erst Jahre später wurde mir klar, daß ich den Bibelinhalt wohl auch aufnahm, jedoch genau in der vorgegebenen Auslegung der WTG. Es ist eine unrichtige Ausdrucksweise der ZJ, diesen Anfang mit den Vortragsbesuchen und dem Heimbibelstudium, als „in die Wahrheit kommen“ zu bezeichnen. Ein Christ sollte eigentlich immer über die „ganze Wahrheit“ informiert werden. Nicht nur die Stärken der Gruppe sollten offen gelegt werden, sondern auch die Schwächen. Ich kann heute meiner „Lehrerin“, Schwester Maria, keinen Vorwurf machen, denn sie kannte auch nicht die ganze Wahrheit. Die Irrtümer und Falschprophezeiungen der WTG, blieben immer ein sorgsam behütetes Geheimnis. Die Literatur Russells und seines Nachfolgers Rutherford verschwanden weltweit immer mehr aus den Versammlungsbibliotheken. Bald erfuhr ich auch, daß die früheren überholten Ansichten als „altes Licht“ bezeichnet wurden, manchmal als „alte Wahrheit“. Wird Licht „neuer“ oder Wahrheit „wahrer“? Doch solche Fragen stellte ich mir nicht.

Ganz langsam wechselte ich meinen Freundeskreis. Mit Hans hatte ich einen guten Gesprächspartner in der Firma. In der Freizeit pflegte ich enger werdende Kontakte zu Richard. Beim „Studium“ mit Maria und dem WTG-Buch, machte ich gute Fortschritte. Sie hatte aus den Büchern der „Gesellschaft“ – wie die WTG intern genannt wird – gut gelernt. Sie sparte nicht mit Lob über meine große „Erkenntnis“, das ist ein Schlüsselwort bei den ZJ. Überhaupt sind bestimmte Wörter quasi Fachtermini für die Anhänger. Man lernt eine neue, von der Gemeinschaft geprägte, Sprache ‑ die „reine Sprache“. Bei ähnlich gearteten Gemeinschaften ist das nicht anders.

 

Auf in den „Felddienst“

 

Nachdem ich schon so viel Erkenntnis erworben hatte, meinte Maria, ich wäre eigentlich reif genug für den Felddienst. Zuerst dachte ich, das mag wohl irgend eine Hilfeleistung bei einem Landwirt sein, der auch Zeuge ist. Mein Irrtum wurde freundlich korrigiert, nein, das ist keine Feldarbeit auf dem Land, sondern der Predigtdienst. Das Wort „Felddienst“ ist den Gleichnisreden Jesu entliehen, wenn von gottsuchenden Menschen gesprochen wird: „die Felder sind schon reif zur Ernte“.

Nun war ich reif genug, um Ernte, in Form von Menschen, einzubringen. Mein erster Einsatz erfolgt im Landgebiet südlich von Wien. Ich wurde einem älteren Bruder zugeteilt, der mich im „wichtigsten Werk dieses Jahrhunderts“, dem weltweiten Predigtwerk, einschulte. Die Taktik war genau vorgegeben. Gute Kleidung, höflich, beharrlich bleiben und den Leuten möglichst auf die Nasenwurzel blicken. Wenn diese an den Wohnungstüren fragen, von welcher Gemeinschaft man kommt, dann erfolgt meist eine schlaue Hinhaltetaktik: „Wir kommen von einer christlichen Gemeinschaft“, das genügt. Meine Frage, warum wir nicht gleich „Zeugen Jehovas“ sagen, beantwortet mein „Ausbildner“ ganz trocken: „dann schmeißen uns die Leute gleich ihre Haustüre auf die Nase“. Aha, jetzt habe ich wieder dazugelernt.

Die systematische Schulung der ZJ ist effektiv. Schon beim ersten Besuch an der Wohnungstüre, muß die Grundlage für den Erfolg gelegt werden. Das wird in den Zusammenkünften gelehrt und trainiert. Wie dies zu geschehen hat, wird immer wieder in dem monatlich erscheinenden internen Mitteilungsblatt, „Unser Königreichsdienst“, gezeigt ‑ ein gutes Beispiel ist in der Ausgabe November 1992, S. 4:

Wirkungsvolle Rückbesuche sind leichter durchzuführen, wenn wir beim ersten Besuch die richtige Grundlage legen. Das Unterredungs-Buch kann uns dabei helfen.

Sage nach einer freundlichen Begrüßung:

„Wir stellen fest, daß heute immer mehr Menschen unsicher sind, wo sie praktische Antworten finden können, um die zunehmenden Probleme des Lebens zu lösen. Haben Sie das auch schon festgestellt? [Räume Gelegenheit zum Antworten ein.] Früher suchten die Menschen in der Bibel Hilfe. Doch heutzutage melden viele ihre Zweifel an. Wie denken Sie über die Bibel?“ Wenn sich der Wohnungsinhaber skeptisch über deren Glaubwürdigkeit äußert, nimm das Traktat Warum man der Bibel vertrauen kann heraus, und lies den zweiten und dritten Absatz auf Seite 2 vor. Glaubt der Wohnungsinhaber dagegen, daß die Bibel Gottes Wort ist, schlage die im zweiten Absatz auf Seite 2 des Traktats angeführten Bibeltexte auf, lies sie vor, und besprich sie kurz mit ihm.

Sollten in deinem Gebiet viele keinen Glauben bekunden, dann versuche die siebte Einleitung auf Seite 10 des Unterredungs-Buchs entsprechend anzupassen, um ihr Interesse zu wecken.

Du könntest sagen:

„Angesichts der vielen Konflikte, die es gegenwärtig in der Welt gibt, fällt es vielen aufrichtigen Menschen schwer, an Gott zu glauben. Und manche, die an ihn glauben, sind dennoch nicht davon überzeugt, daß er unsere Probleme lösen kann. Wie denken Sie darüber? [Räume Gelegenheit zum Antworten ein.] Beachten Sie, was in diesem Traktat über die Menschen, die Wissenschaft und die Bibel gesagt wird.“ Lies dann vom fünften Absatz an auf Seite 3 des Traktats Warum man der Bibel vertrauen kann.

Stelle Fragen aus dem Traktat, um deinen nächsten Besuch vorzubereiten: Plane dahingehend, daß dein erster Besuch nur der Anfang einer Reihe fruchtbarer Besuche ist. Denke nicht, daß du viele Einzelheiten behandeln müßtest; beende deinen Besuch aber auch nicht so abrupt, daß der Wohnungsinhaber glaubt, du seist nicht wirklich an ihm interessiert. Nachdem zwei oder drei Absätze aus dem Traktat gelesen wurden, stelle eine Frage, die beim nächsten Besuch beantwortet werden kann.

Du könntest zum Beispiel die Aufmerksamkeit auf den dritten Absatz auf Seite 4 lenken und fragen: „Glauben Sie, daß die Bibel genügend Beweise liefert, um dem Vertrauen zu schenken, was sie über die Zukunft sagt?“ Auf diesen Punkt kannst du dich beim Rückbesuch beziehen, und in dem Buch Die Bibel — Gottes oder Menschenwort? die Kapitel 9 und 10 betrachten.

Wenn der Wohnungsinhaber aufrichtig interessiert ist und die dargelegten Gedanken allem Anschein nach wirklich schätzt, könntest du schon beim ersten Besuch das Gottes-Wort-Buch anbieten, und sofern es die Situation rechtfertigt, auch die Neue-Welt-Übersetzung. Wenn jemand nach den Kosten fragt, dann erkläre kurz, daß unsere Veröffentlichungen Teil eines weltweiten biblischen Schulungsprogramms sind, das durch Spenden unterstützt wird.

Wenn wir jeden Wohnungsinhaber als möglichen Jünger betrachten, werden wir uns bemühen, in unseren abschließenden Bemerkungen die Grundlage für einen Rückbesuch zu legen.

Eine moderne Rattenfängermethode? Jedenfalls eine effektive. Bücher und Bibel, aus dem „firmeneigenen“ Verlag, werden geschickt angepriesen und weltweit in Millionenauflage vertrieben. Durch professionelle Schulung erwirbt der kostenlos arbeitende „Verkündiger“ die nötigen Kenntnisse modernen Hausierens. Selbstbewußtsein zu erlangen wird ebenfalls eingeschult, etwa mit dem Slogan: „Denkt immer positiv!“.

In jungen Jahren hatte ich Hemmungen mit fremden Leuten Kontakt aufzunehmen, oder gar zu diskutieren, bei den ZJ lernte ich diese Scheu abzulegen.

Mit der Zeit konnte ich immer besser kniffligen Fragen mittels langatmiger Schachtelsätze ausweichen. Heute denke ich beim Zuhören von Politikerinterviews in den Medien, die müssen eine ähnliche Schulung genossen haben, wie ich sie erhielt. Über die Erlebnisse an den Türen, könnte jeder ZJ dicke Bände schreiben. Da Erfolge äußerst dürftig sind, gewöhnte ich mir eine fast fatalistische Gelassenheit an. Fühlte man sich niedergeschlagen und trübsinnig, dann tröstete man sich mit Sätzen aus der Bibel. Beispielsweise mit den Jesusworten: „ihr werdet um meines Namens willen gehaßt werden“, oder, bei Abweisung an den Türen: „dann schüttelt den Staub von euren Füßen und geht weiter zum nächsten Haus“. Auch der Mißerfolg wird einprogrammiert. Wie im Sport lernt man das „Hinfallen“, ohne sich selbst Schaden zuzufügen. Da es den meisten Christen schwer fällt, über ihren Glauben zu sprechen, ist ihnen der ZJ überlegen. Das hilft ihnen über manche Mißerfolge hinweg, sie sagen dann: das hat mich wieder „auferbaut“.

Nicht allen Verkündigern gelingt dies. Hat einer Probleme am Arbeitsplatz oder in der Familie und zusätzlich Mißerfolge im Predigtdienst, dann führt dies häufig zum Nervenzusammenbruch. Die psychischen Probleme sind bei vielen ZJ ganz offensichtlich, dazu später mehr.

 

Gemeinschaft kann gefährlich werden

 

So lautet die Überschrift eines Faltblattes, das seit einiger Zeit vom „Ministerium für Unterricht“ in Österreich verbreitet wird. In 17 Punkten werden Schritte gezeigt, wie ein Mensch in die Abhängigkeit der Sekten gerät. Die Zusammenstellung ist Resultat einer internationalen Befragung von Psychologen, wie und wodurch ein Mensch überhaupt in Abhängigkeit gerät. Die ausgewählten Psychologen haben ihre Erfahrungen mit Sektenopfern eingebracht. Aus heutiger Sicht muß ich sagen, daß alle angeführten 17 Punkte ihre Entsprechung auch bei den ZJ, besser: in der „Wachtturm Organisation“, haben.

Im ersten Punkt dieses Faltblattes, wird gleich eine der Motivationen genannt, warum suchende Menschen sich schnell für solche Gemeinschaften begeistern können:

"Bei der Gruppe findest Du 100%ig das, was Du bisher vergeblich gesucht hast. Sie weiß genau, was Dir fehlt."

Und genau auf diese Sehnsucht, die bestimmt viele Menschen bewegt, sind Gruppen wie die ZJ programmiert ‑ sie haben die Lösungen aller Probleme parat. Sie kennen den Weg, wie diese Sehnsucht befriedigt wird, ganz genau. Da viele Verheißungen für künftige Aussichten im metaphysischen Bereich liegen, fühlen sich Menschen mit lebhafter Phantasie, sofort angesprochen. Solche, die z.B. gerne Zukunftsromane lesen oder Science-fiction Filme lieben, werden sich eher den Scientologen zuwenden. Wer jedoch eine Lösung aller Probleme dieser Welt im rein religiösen Bereich sucht, fühlt sich schnell bei den ZJ wohl und geborgen.

Zuerst wird der Einsteiger mit „Jehova Gott“ vertraut gemacht, dieser löst alle Probleme, er wird dich zum ewigen Leben direkt ins Paradies führen, so hörte ich es oft.

Sicherlich, das zeigt auch die Bibel, alle Not und Mißstände wird Gott durch seinen Sohn beseitigen. Ähnliches wird anfänglich auch in den Vordergrund gerückt. Doch wenn man „angebissen“ hat, werden gleichzeitig auch gewisse Zweifel eingestreut. Später habe ich in Vorträgen gern den Ausspruch Jesu zitiert (den ich vorhin schon anführte, nun aber ohne Buchstabenvertausch). Direkt aus der „Neuen-Welt-Übersetzung“ der WTG:

Matthäus 6:19-20 19: Hört auf, euch Schätze auf der Erde aufzuhäufen, wo Motte und Rost [sie] verzehren und wo Diebe einbrechen und stehlen. 20 Häuft euch vielmehr Schätze im Himmel auf, wo weder Motte noch Rost [sie] verzehren und wo Diebe nicht einbrechen und stehlen.

Heute schäme ich mich, daß ich bei Ansprachen den Vergleich eines WT anführte: Wenn wir im Predigtdienst fleißig sind, dann fühlt sich Gott gewissermaßen „verschuldet“ und dadurch wächst unser „Guthaben“ am „himmlischen Konto“. Mit dieser Argumentation wird eindeutig die falsche Fährte gelegt. Solche Gedanken gehen  aus dem eben zitierten Jesu-Wort nicht hervor!

Wer nicht die Hauptaussagen der christlichen Bibel kennt und mit diesem Nichtwissen bei den Zeugen einsteigt, bleibt sogar nach einem freiwilligen Ausstieg von ihnen in diesem Leistungsdenken verhaftet. Zu sehr prägt sich das ein: „ich muß was für Gott tun“, oder wie es eine eifrige Predigerin der ZJ sagte: „ich renne um mein Leben“. Die trostreichen biblischen Aussprüche über die Gnade Gottes, z.B. im Römerbrief von Paulus, werden kaum beachtet und meist überlesen.

"Schon der erste Kontakt eröffnet Dir eine völlig neue Sicht der Dinge."

So heißt es im besagten Faltblatt dann weiter. Nachdem das Heimbibelstudium bei mir Wirkung zeigte, hatte sich mein Weltbild bereits verändert. Ich fühlte mich immer besser.

War ich doch den anderen – den „Weltmenschen“ – bereits weit überlegen. Die blieben blind, ich wurde sehend. Diesen Erfolg verdankte ich der „von Gott gebrauchten Organisation.“ Anfänglich behagten mir solche Aussagen, in Wort und Schrift, bei den Zeugen gar nicht. Aber so wie steter Tropfen den Stein aushöhlt, ähnlich geschah dies auch in meinem Kopf. Bei mir begann die Indoktrinierung ihre Wirkung nicht zu verfehlen.

"Das Weltbild der Gruppe ist verblüffend einfach und erklärt jedes Problem"

Kam mir die Welt vor dem Einstieg schon schlecht vor, nach dem „Studium“ wurde sie noch weit schlechter. Ich hatte schon gelernt, wer und was nun „gut“ oder „böse“ ist. Das gipfelte im gemeinsamen Nenner der ungefähr so aussieht: Die Organisation Jehovas ist gut, alles was draußen ist, ist automatisch schlecht. Dieses Feindbild wird in fast jeder Ansprache und in den WT-Schriften fest eingebleut. Eine alte und bewährte Methode. Eigentlich sollte das den WT-Leuten auch bekannt sein. In der Zeitschrift „Erwachet!“ (22.1.1990, S.10), wurde der Propagandamißbrauch „in dieser bösen Welt“ einmal angeprangert und dazu wurde sogar aus Hitlers „Mein Kampf“ zitiert:

„Propaganda wird zu keinem Erfolg führen, wenn nicht ein fundamentaler Grundsatz immer gleich scharf berücksichtigt wird. Sie hat sich auf wenig zu beschränken und dieses ewig zu wiederholen. Die Beharrlichkeit ist hier wie bei so vielem auf der Welt die erste und wichtigste Voraussetzung zum Erfolg… nur einer tausendfachen Wiederholung einfachster Begriffe wird sie [die Masse] endlich ihr Gedächtnis schenken. Jede Abwechslung darf nie den Inhalt des durch die Propaganda zu Bringenden verändern, sondern muß stets zum Schlusse das gleiche besagen. So muß das Schlagwort wohl von verschiedenen Seiten aus beleuchtet werden, allein das Ende jeder Betrachtung hat immer von neuem beim Schlagwort selber zu liegen“ (Mein Kampf von Adolf Hitler).

Die Artikelschreiber, die solche Zitate in ihre Texte einbauen, sind sich gar nicht bewußt, daß sie selbst Opfer dieser Methode sind und diese gleichzeitig bei anderen anwenden. Keiner denkt sich dabei etwas Böses.

"Es ist schwer, sich ein genaues Bild von der Gruppe zu machen. Du sollst nicht nachdenken und prüfen. Deine neuen Freunde sagen: „Das kann man nicht erklären, das mußt Du erleben – komm gleich mit in unser Zentrum.“" (Faltblatt)

Die Zentren der ZJ sind primär ihre Versammlungssäle und die Kongreßveranstaltungen. Hier wird geschult und „auferbaut“, ein beliebtes Wort. Das Vertrauen zu dieser Gemeinschaft – der Organisation – muß gestärkt werden. Das erfolgt natürlich gesteuert. Nochmals ein Zitat aus „Unser Königreichsdienst“ vom April 1997. Bemerkenswert wie in Profimanier und raffinierter Weise die Suchenden in eine Organisation (!) gelenkt und in diese einverleibt werden:

Studierende zu der Organisation führen: „Es ist eine Botschaft in über 200 Sprachen. Eine Botschaft in über 210 Ländern. Eine Botschaft, die überall Menschen persönlich überbracht wird. Der größte Predigtfeldzug, den die Welt je gesehen hat… Eine Botschaft, die Millionen weltweit vereinigt. Seit über 100 Jahren führen Jehovas Zeugen dieses Werk organisiert durch!“

So lauten die einleitenden Worte des Videos Jehovas Zeugen — Die Organisation, die hinter dem Namen steht. Im Video werden dann weitere Fragen beantwortet: Wer sind Jehovas Zeugen eigentlich? Wie wird ihre Tätigkeit organisiert, geleitet und finanziert? Wer sich dieses Video ansieht, ist davon beeindruckt, daß „Jehovas Zeugen… weltweit als Organisation geschult worden [sind], ihren Mitmenschen behilflich zu sein, Glauben an die Bibel zu gewinnen“, und wird ermuntert, die Organisation hinter unserem Namen selbst zu sehen. Nachdem eine Frau, die die Bibel studiert, das Video gesehen hatte, brach sie vor Freude und Dankbarkeit in Tränen aus und sagte: „Wie könnte jemand daran zweifeln, daß es sich um die Organisation Jehovas, des wahren Gottes, handelt?“ (Vergleiche 1. Korinther 14:24, 25.)

Eine schöne heile Welt findet man allein nur in dieser Organisation. Das entspricht auch der Bibel, wird scheinbar ehrlich argumentiert. Auch im Zitat oben endet der letzte Satz mit einem Bibelhinweis, den fast kein ZJ nachprüft, das wird einfach geglaubt. Dabei steht in dieser Stelle nichts, was den vorhergehenden Gedanken stützen würde. Nach der NW-Ü.:

1. Korinther 14:24-25 24: Wenn ihr aber alle prophezeit, und ein Ungläubiger oder ein gewöhnlicher Mensch kommt herein, wird er von ihnen allen überführt, er wird von allen genau beurteilt; 25 das Verborgene seines Herzens wird offenbar, so daß er auf [sein] Angesicht fallen und Gott anbeten wird, indem er erklärt: „Gott ist wirklich unter euch.“

Wer sich die Mühe macht, den Textzusammenhang zu lesen, der hört primär die Mahnung des Apostel Paulus heraus, keinen Durcheinander in den Versammlungen zu dulden. Herrscht Ordnung in den Versammlungen, dann mögen Ungläubige beeindruckt werden, meinte Paulus. Ausdrücke wie „Organisation Gottes“, sind der Bibel jedoch völlig fremd. Durch die oftmalige Wiederholung solcher Wortgruppen – in „hitlerscher“ Manier – denkt man, dies entspricht alles genau der Bibel. Den ZJ-Mitläufern wird eingetrichtert: du bist mit der wahren Organisation Gottes verbunden! Dazu könnten eine Vielzahl von Zitaten aus den WT-Heften angeführt werden. Im WT vom 1.9.1998, unter der Überschrift „Als Teil der Organisation Gottes in Sicherheit bleiben“, kommen unzählige Male immer wieder die beiden Wörter „Gottes Organisation“ vor. Auf den Seiten 10 u. 11 schafft der Artikelschreiber einen Rekord. Denn da wird das Wort „Organisation“ gleich 23mal gebraucht und das auf nur zwei Seiten. Eine Abbildung zeigt zusätzlich einen gut besetzten Königreichssaal, die Bildlegende dazu: „Durch Jehovas Organisation wird für die vorzüglichste geistige Speise gesorgt“. Kein Superlativum wird ausgelassen, das Eigenlob der WTG begleitet die Anhänger unaufhörlich. In skrupelloser Weise wird die Organisation sogar in direkte Verbindung mit dem Glauben gebracht; eine fettgedruckte Überschrift im WT, 1. Juni 1979, S. 12 lautet:

„Der Glaube an Gottes siegreiche Organisation“, nun suche man nach einem Bibeltext, der so etwas belegen könnte.

Viele Außenstehende mögen nun fragen: wie ist das alles nur möglich? Wird man nicht gerade durch das Einpaukersystem mißtrauisch? Im Nachhinein frage ich mich das auch sehr oft. Hier spielt ein ebenso raffinierter wie einfacher Trick eine wichtige Rolle. Als eine der ersten „Warnungen“ wird einem „Interessierten“ folgendes beigebracht: „Wenn Sie jetzt mit uns die Bibel studieren und beginnen, die Wahrheit anzunehmen, wird Satan alle Hebel in Bewegung setzen, um Sie von der Wahrheit fernzuhalten. Dabei wird er Ihre engsten Vertrauten ‑ ihre Freunde, nahe Verwandte u. dgl. ‑ einsetzen. Diese werden sich von ihm gebrauchen lassen, um Sie zu bewegen, sich möglichst schnell von uns ZJ, zu trennen …“ Damit wird eine ganz natürliche Reaktion des Umfeldes jener Personen wie eine Voraussage benutzt. Ziemlich sicher tritt eine derartige Situation auch ein. Der Neuling fühlt sich bestätigt und die Bindung wird fester.

"Dieser Organisation fehlt eine „Opposition“. Kritik wird schon im Keim erstickt und ausgeschaltet. Denn: Die Gruppe hat einen Meister, ein Medium, einen Führer oder Guru, der allein im Besitz der ganzen Wahrheit ist."

Bei den ZJ heißt der „Guru“ jedoch „Sklave“ oder die „Sklaven‑Klasse“, vertreten durch die „leitende Körperschaft“, die „die Wahrheit“ durch WTG‑Publikationen und durch ihre „reisenden Aufseher“ vermittelt. Daher sind bei den ZJ geflügelte Worte: „wir haben die Wahrheit“; wir sind „in der Wahrheit“ und ähnliche mehr. Wer noch das „Wahrheitsministerium“ in Orwells Roman „1984“ (geschrieben 1948) belächelte, dubiose Gemeinschaften haben dieses längst erfunden. Steven Hassan, ein ehemaliges leitendes Mitglied der „Vereinigungsbewegung“ (Mun-Sekte) beschreibt die Methodik „seiner“ Kirche in dem Buch (vergriffen): „Ausbruch aus dem Bann der Sekten“. Die Parallele zu den ZJ – und wahrscheinlich vieler anderer Gemeinschaften – ist dabei unübersehbar. Bei der WTG liest sich das so:

Der Wachtturm und Erwachet! – aktuelle Zeitschriften der Wahrheit: Jehova ist der „Gott der Wahrheit“ (Psalm 31:5). Sein Wort, die Bibel, ist ein Buch der Wahrheit (Johannes 17:17). Aufrichtige Menschen reagieren günstig auf die Wahrheit. (Vergleiche Johannes 4:23, 24.) Der Wachtturm und Erwachet! erreichen unter anderem deshalb das Herz von Millionen Lesern, weil es sich um Zeitschriften handelt, die sich der Rechtschaffenheit und der Wahrheit verschrieben haben. Es hatte mit der Frage der Loyalität gegenüber der biblischen Wahrheit zu tun, daß es überhaupt zur Veröffentlichung des Wachtturms kam. (WT, 1.1.1994, S. 20)

Einige ZJ, die schon lange Zeit bei der „Gesellschaft“ sind, erleben immer wieder gewisse Änderungen, mitunter recht einschneidende. Denjenigen, die ihr eigenes Denken noch nicht gänzlich aufgegeben haben, stellt sich die Frage, ob denn wirklich alles der Wahrheit entspricht. Solche Bedenken wischt der WT ganz einfach mit wenigen Sätzen vom Tisch:

Gebt dem Teufel nicht Raum! Ja, Jehovas Volk mußte von Zeit zu Zeit seine Erwartungen revidieren. Wegen unseres Eifers erhofften wir das neue System früher, als es nach Jehovas Zeitplan vorgesehen ist. (WT, 15.3.1986, S. 19-20)

Aus Irrtum – also schlicht Unwahrheit – wird „Eifer“. In dieser Tonart geht es weiter:

Wie töricht, die Ansicht zu vertreten, Erwartungen, die einer gewissen Korrektur bedurften, würden die Gesamtaussage der Wahrheit in Frage stellen! Die Beweise liegen auf der Hand, daß sich Jehova seiner einen Organisation, in der der „treue und verständige Sklave“ die Führung innehat, bedient hat und weiterhin bedienen wird. Wir empfinden wie Petrus, der sagte: „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte ewigen Lebens“ (Johannes 6:68).Nur in dem geistigen Paradies — unter Jehovas Zeugen — können wir die selbstaufopfernde Liebe finden, an der, wie Jesus sagte, seine wahren Jünger zu erkennen sind (Johannes 13:34, 35).

Welche Beweise? Sind „wir“ denn Petrus? Ist der zitierte „Herr“, den Petrus mit „Du“ anspricht, die „Organisation Jehovas“?

Längst hatte ich das eigene Denken zugunsten der Organisation geopfert. Überhaupt dem Mythos des „treuen und verständigen Sklaven“ bin ich erlegen. Keine Kirche oder Gemeinschaft kann die Bibel richtig erklären, heißt es immer wieder. Haben diese doch nicht den „treuen Sklaven“!

 

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Erinnerungen an eine autoritäre Religionsgemeinschaft

Schnüffelei bis ins Schlafzimmer

 

Wie schon gezeigt, wird in autoritären Gruppen, das Sexualverhalten der Mitverbundenen genau kontrolliert. Ordnung muß schließlich sein! Waren die sexuellen Verhaltensweisen in meiner Zeit als ZJ, wie erwähnt, darauf beschränkt, nicht zu masturbieren, kein „petting“ – und mehr – mit der Freundin oder Verlobten zu „treiben“, ist inzwischen die Moral der ZJ, weit moralischer geworden. Da läßt sich die USA-“Mutter“ immer neue Feinheiten einfallen. Intern muß ein „Ältester“ einen „Moralkodex“ einstudieren, diesen gibt es in Form vertraulicher Bücher. Der einfache Verkündiger bekommt diese nie zu Gesicht. Jetzt kann ein Ältester Sexdetails kennenlernen, von denen er vordem vielleicht nicht die geringste Ahnung hatte. Es trägt wahrscheinlich zur enormen Beflügelung der Phantasie von Ältesten bei.

Nun könnte auch ich in Verdacht geraten, den WT-Leuten nur „moralinsaure“ Motive unterschieben zu wollen. Gerade nachfolgende Details zeigen deutlich, daß die WTG schamlos in jede Intimsphäre einbricht.

Wie die WTG auf gute Moral achtet, überschreitet die Grenzen der Zumutbarkeit. Wer nun annimmt, ich würde stark übertreiben, sehe sich nachfolgende Auszüge aus einem Geheimbuch der WTG an. Eines der Handbücher für Älteste trägt den Titel: „Gebt acht auf euch selbst und auf die ganze Herde“. Dieses ist in 5 Gruppen unterteilt und behandelt verschiedene „Delikte“. Solch ein Buch wird in manchen Punkten den Vorschriften des jüdischen Talmud ähnlich sein. Die Teile 1-4 behandeln die Aufgaben der Ältesten in ihren verschiedenen Funktionen. Teil 5 trägt eine bezeichnende Überschrift: „Aufseher, die für das Recht herrschen“. Dann kommt: „Macht euren Brüdern bewußt, daß sie für die Reinerhaltung der Versammlung Verantwortung tragen“. Natürlich ist das bis zu einem gewissen Grad zulässig, aber gehen nachfolgende Moralvorschriften nicht doch zu weit?:

„pornéia“ betrifft den unsittlichen Gebrauch der Geschlechtsorgane mindestens einer Person (sei es auf natürliche oder widernatürliche Weise), …macht schuldig und erfordert ein Rechtsverfahren. …„pornéia“ ist kein flüchtiges Berühren der Geschlechtsorgane einer anderen Person, sondern bezieht sich auf die Manipulation der Geschlechtsorgane… Dazu gehören oraler und analer Geschlechtsverkehr oder gegenseitige Masturbation unter Personen, die nicht miteinander verheiratet sind, Homosexualität, Lesbianismus, Hurerei, Ehebruch, Inzest und Sodomie… Vorsätzliches und gewohnheitsmäßiges leidenschaftliches Petting sowie vorsätzliches und gewohnheitsmäßiges Streicheln der Brüste können Formen von zügellosem Wandel sein.

 

Scheinbar sind den WTG-Wächtern die letzten Sätze zu unverbindlich, viel zu liberal. In einem Schreiben vom 18.10.1995 erfolgte eine Revision und Verschärfung der „Paragraphen“. Da sollen die Ältesten die erweiterten Vorschriften in ihrer alten Fassung einfach überkleben. U.a. wurde der „Streichel-Paragraph“ verschärft, ein „können“ wie im ursprünglichen Text, schien den Tugendwächtern zu unverbindlich. Nun ist das aber eindeutige Unmoral!

 

Dazu gehört unter anderem vorsätzliches, wiederholtes und leidenschaftliches erotisches Umarmen, Liebkosen und Küssen oder vorsätzliches und wiederholtes Streicheln der Brüste.

 

Im Teil 5 dieses Buches geht es in dieser Tonart weiter. Viele christliche Zeugen müssen offensichtlich noch aufgeklärt werden, womit Unmoral ihren Ausgang nimmt. Obwohl das amerikanische Volk sicherlich aufgeschlossen ist, scheint dort der heuchlerische Puritanismus, der aus solchen Zeilen spricht, typisch für „echte Christen“ zu sein. Seite 92:

 

„Unreinheit schließt das absichtliche flüchtige Berühren der Geschlechtsteile oder Streicheln der Brüste ein (1.Thes.4:7,8; 1.Tim.5:1,2).“

 

Wer sich der Mühe unterzieht, letztgenannte Bibelstellen nachzulesen, wird nur verständnislos den Kopf schütteln können. Mit keiner Silbe wird etwas erwähnt, was irgendwie auf „flüchtiges Berühren“ u. dgl. hindeuten würde. Diese Texte lassen Zweifel aufkommen, ob der betreffende Textverfasser folgerichtig zu denken vermag. In weiteren Seiten des Buches kommen noch Wörter wie: „Kopulation, Penetration, Orgasmus“ usw. vor. Die strengen Gebote gehen noch über etliche Seiten.

Zu den Verboten gehört auch das Feiern von Festen. Da denken die Wächter sicherlich an Weihnachtsfeste, Ostern, aber auch an harmlose Geburtstagsfeiern. Noch ein „netter“ Satz folgt: „Selbst wenn du den Eindruck hast, dein Rat reiche aus, um den Betreffenden wiederherzustellen, ist es angebracht, den vorsitzführenden Aufseher zu informieren; vielleicht spielen noch andere Faktoren eine Rolle.“ Hier wird doch eindeutig Denunziantentum erwartet. Im Normalfall befindet sich im Schlafzimmer doch kein Schnüffler. Da bleibt entweder „Schlüssellochguck“, oder Selbstanzeige der Unmoralischen. Diese Moralpolizisten könnten sich die Bezeichnung „Sonderermittler“ zulegen.

Wenn ich an meine ZJ-Zeit zurückdenke, fallen mir einige Kleingeister ein, die dem Sklaven völlig ergeben waren. Und gerade solche sollen ihre Mitbrüder „wiederherstellen“? Dieses Wort ähnelt stark an einen Service in der Werkstätte.

Wie steht es mit der Diskretion? Sie ist nur dann angebracht, wenn es populäre Brüder betrifft, die zusätzlich noch die gute Eigenschaft haben über dicke Brieftaschen zu verfügen. Einschlägige Fälle sind bekannt. Normalerweise soll gehorsam „informiert“ werden, Geschwätz ist häufig die Folge. Wie weit dieses Informieren gehen kann, zeigt der WT im Fall einer Angestellten eines Krankenhauses:

 

„Eine Zeit zum Reden“ – Wann?: MARIA arbeitet als medizinisch-technische Assistentin in einem Krankenhaus. Sie ist verpflichtet, was sie beruflich erfährt oder beobachtet, als Berufsgeheimnis zu wahren. Auch muß sie dafür sorgen, daß schriftliche Unterlagen und andere Informationen über Patienten nicht an unbefugte Personen weitergegeben werden. (WT, 1.9.1987, S. 12-14)

So weit so gut. Aber bei den WT-Leuten herrschen, wie gezeigt, andere Gesetze. Der Bericht geht weiter:

 

Eines Tages saß Maria in einer Zwickmühle. Als sie Krankenberichte bearbeitete, stieß sie auf eine Information, die besagte, daß eine Patientin, eine Mitchristin, eine Abtreibung vornehmen ließ. (…)

In diesem Fall besaß Maria aber noch andere bedeutsame Informationen. Sie wußte zum Beispiel, daß die Schwester die Rechnung bezahlt und damit bestätigt hatte, daß sie die darauf vermerkten Dienste empfangen hatte. Auch wußte Maria, daß die Schwester unverheiratet war, was bedeutete, daß allem Anschein nach sogar Hurerei vorlag.

Maria fürchtete erst ein bißchen die rechtlichen Konsequenzen, doch dann kam sie zu der Überzeugung, daß in diesem Fall die biblischen Grundsätze mehr Gewicht hatten als die Forderung, die ärztlichen Unterlagen vertraulich zu behandeln. Sie sagte sich, daß die Schwester ihr sicherlich nicht grollen und nicht versuchen würde, sich zu rächen, indem sie sie anzeigen würde.

Entscheidungen für ein späteres höheres – nämlich himmlisches – Gericht, wurden schon vorweggenommen.

 

Mittels ZJ-Schulung zum Werbeleiter

 

"Die Gruppe füllt Deine gesamte Zeit mit Aufgaben: Verkauf von Büchern oder Zeitungen, Werben neuer Mitglieder, Besuch von Kursen, Meditation …" (Faltblatt)

 

Für Meditation gibt es ebensowenig einen Zeitrahmen wie für praktische Hilfe an Menschen, weil allein die Schulung der WT-Verbreiter und Werber allzuviel Zeit beansprucht. Es wäre ungerecht von mir, würde ich die Zeit als ZJ als unnütz darstellen. Ich will nicht verschweigen, daß die Schulung mir auch berufliche Vorteile brachte, was kaum von der WTG beabsichtigt war. In meinem grafischen Betrieb, suchte die Firmenleitung nach einem Außendienstmitarbeiter, der auch neue Kunden „aufreißen“ kann. Der Betriebsleiter wußte von meiner Predigttätigkeit von Haus zu Haus. Daher sprach er mich an, ob ich mir nicht auch zutraue, bei verschiedenen Firmen wegen neuer Aufträge vorzusprechen. Natürlich war ich sofort bereit. Da merkte ich erst, wie mühelos eigentlich das „Hausieren“ in Firmen und Werbeabteilungen war, verglichen mit dem harten Prediger-Job von Tür zu Tür.

Etwa ein Jahr danach sprach mich bei einer Zusammenkunft ein prominenter Bruder an, der ein gutgehendes Unternehmen aufgebaut und es inzwischen zum Millionär gebracht hatte. Er war auf der Suche nach einem geeigneten Werbefachmann. Er hatte gehört, daß ich dafür etwas Fachwissen einbringen könne und wolle mich für diesen Job anwerben. Heute bewundere ich noch meinen Mut, sofort den Berufswechsel vorgenommen zu haben. Tatsächlich konnte ich in den nachfolgenden 26 Jahren als Werbeleiter, viel von der Werbetaktik und dem Selbstbewußtsein nutzen, das ich durch das ausgiebige ZJ-Training erworben hatte.

Viel wichtiger war jedoch die Begegnung mit führenden Brüdern aus der WTG, die im fortgeschrittenen Alter und vielen Jahren „Dienst für den Sklaven“, die Nase voll hatten und dann in unserer Firma noch ein „Asyl“ fanden. Die Erfahrungen die ich dadurch machte, sowie die Blicke hinter die WTG-Kulissen, haben mein Verweilen in der Organisation Jehovas entscheidend verkürzt. Aber vorher muß ich noch ein kleines Geheimnis loswerden, das ich normalerweise für mich behalte.

 

Im „theokratischen Geheimdienst“

 

Die Schriften aus dem WTG-Verlag werden bekanntlich als „Speise zur rechten Zeit“ (Matth. 24,45) bezeichnet. Die weltweite Verbreitung geschieht in Millionenauflage. Diese „Speise“ soll nicht nur gelesen, sie muß „studiert“ werden. Die Erwartung seitens der Führung in Brooklyn sieht ungefähr so aus: Die Verbreiter sollen jeden WT zuerst selbst lesen. Die Hauptartikel müssen einstudiert werden, um für das wöchentliche WT-Studium gut vorbereitet zu sein. Praktisch bedeutet das, zu jeder abgedruckten Frage im betreffenden Absatz die Antwort zu unterstreichen. Beim WT-Studium in den Zusammenkünften, werden diese Fragen nochmals gestellt und die Anwesenden sollen diese beantworten. Nachdem der WT-Studienleiter bestimmte Gedanken hervorgehoben hat, wird der Absatz laut vorgelesen. Wie wir schon gesehen haben, wird dabei mit Ansichten und Auslegungen der Bibel großzügig umgegangen. Oft hat man das Gefühl, die Artikelschreiber in Brooklyn denken sich irgend etwas aus, schreiben das nieder und danach suchen sie in der Bibel nach bestätigenden Stellen. Sind diese nicht aussagekräftig, oder gar unpassend, das ist weiter nicht tragisch, dann wird die Bibelstelle einfach am Ende des Abschnittes angeführt. Das Vertrauen der Zeugen in ihre Führung ist nahezu grenzenlos, sodaß sich kaum jemand vergewissert, „ob es sich auch so verhielte“ (Apg.17,11). Das machten zwar die bereits genannten „Beröer“ gemäß dem Bericht aus der Apostelgeschichte, aber ein ZJ braucht nicht wie diese das Gelesene prüfen.

Maria, meine Lehrerin aus der ZJ-Anfangszeit, war in der Bibel gut bewandert. Es machte ihr großen Spaß, sich viele Bibelstellen zu merken und das hat auch mich ehrgeizig gemacht, mir viele Stellen einzuprägen. Daher saßen wir oft privat zusammen und machten unser persönliches Bibelstudium. Eines Tages merkte ich, daß Maria immer häufiger abwesend war, im Ausland, wie mir ihre Tochter einmal geheimnisvoll zuflüsterte. Da wurde ich neugierig und eines Tages fragte ich Maria rundheraus wohin sie immer fährt. Nachdem ich ihr hoch und heilig versprach, niemanden etwas zu erzählen, kam es heraus. Sie arbeitet als geheimer „Kurier“, damit auf diese Weise die WT-Literatur hinter den „Eisernen Vorhang“ gelangt. Der Leiter des Wiener Zweigbüros, Bruder Voigt – der später noch mein Arbeitskollege wird – war damals noch dem Sklaven in Brooklyn ergeben. Österreich, als neutrales Land, war als Sprungbrett in den Osten vorzüglich geeignet. Ich fragte Maria, wie sie denn die kostbare „Speise“ schmuggelt. Dieses Wort mußte ich gleich zurücknehmen, denn ein ZJ schmuggelt nicht. Dann erzählte sie, daß sie die WT-Schriften in den doppelten Boden ihrer großen Handtasche einnäht und so über die Grenze bringt. In allen kommunistischen Ländern, war die Literatur der WTG streng verboten. Wurde jemand mit solchen erwischt, dann setzte es  hohe Strafen. Auch dies wurde als „Beweis“ göttlicher Anerkennung bewertet, denn Gottes Volk wurde ja zu allen Zeiten verfolgt.

Meine berufliche Erfahrung aus der Reproanstalt nützend, machte ich Maria den Vorschlag, die einzelnen WT-Seiten zu fotografieren, und sie kann dann die kleinen Negative spielend über die Grenze bringen. Dieser Vorschlag gefiel auch Voigt und auf einmal hatte ich das Vorrecht, Anteil zu haben, die Mitbrüder im Osten mit der „lebenswichtigen Speise“ zu versorgen. Damit wurde mir bewußt, daß Vorrechte viel zusätzliche und auch gefährliche Arbeit bedeuten. Nun fotografierte ich abends stundenlang den WT, danach kam die Filmentwicklung hinzu. Auch meine Frau half mit. Ich war auf die Reaktionen der Brüder und Schwestern im Osten gespannt, wie sie mit dem Negativmaterial zurechtkämen. Sie hätten natürlich lieber die WT-Originalseiten kopiert, sahen aber ein, daß Vorsicht an der Grenze wichtig war. Die Vergrößerungen von den Negativen bereiteten ihnen Mühe. Da machte ich ihnen den Vorschlag, sie sollten sich einen Projektor zulegen und für das WT-Studium einfach die Negative an eine weiße Wand projizieren. Dieser Vorschlag kam gut an. Maria hat mir oft die Grüße „von drüben“ übermittelt und die hatten den Wunsch, mich auch persönlich kennen zu lernen. Daher wurde vereinbart, daß ich auch einmal so eine „Tour“ mache. Da wollte Voigt, daß ich zusätzlich noch etliche neue Bücher original „rüberbringe“. Er wußte bereits, daß auch meine Frau Kenntnis von dieser Geheimdienstarbeit hat. Daher sollte zur Tarnung eine Familienreise organisiert werden. Wir packten drei Koffer, wie zu einer Weltreise und versteckten in der Wäsche die geistige Speise. Da mir immer der „Begleitschutz“ durch Jehova versichert wurde, bekamen wir erst angesichts der CSSR-Grenze einiges Herzklopfen. Eine Schwester in Bratislava (Preßburg), sollte unsere Kontaktfrau sein. Vor der Grenze erlebten wir dann etwas, das wir wie einen Gottessegen empfanden. Eine mir völlig fremde Frau klopfte noch auf österreichischer Seite ans Autofenster. Sie fragte, ob wir sie über die Grenze mitnehmen könnten, sie hätte alle notwendigen Grenzpapiere dabei. Zuerst dachte ich, daß würde unsere Mission komplizieren. Zu unserer Überraschung, war sie den Grenzbeamten wohl bekannt. Sie kurbelte das Wagenfenster herunter und scherzte mit den Männern in fließendem slowakisch. Ohne jede Kontrolle wurden wir freundlich vorbei gewinkt. Die Frau sagte nur lächelnd, sie habe den Grenzern erzählt, wir hätten es alle sehr eilig, daher sollen sie uns schleunigst durchlassen.

In einem Hotel, direkt an der Donau gelegen, trafen wir dann Schwester K. und erkannten sie an einem vorher vereinbarten Kennzeichen. Unser „gesegnetes“ Grenzerlebnis erklärte sie dann so: „da habt ihr sicher eine Ostagentin über die Grenze mitgenommen“. Da waren wir ja in bester Gesellschaft. Jedenfalls waren wir froh, die wertvolle Fracht so leicht loszubekommen. Welche Gefahren damit verbunden waren, wurde uns erst viel später richtig bewußt. Jedoch war dieses Erfolgserlebnis ein starker Impuls, wieder alle aufkeimenden Zweifel an der WTG zu verdrängen. Wir waren sehr stolz, für die Sache Jehovas unsere Freiheit mit aufs Spiel gesetzt zu haben. Meine Geschäftsreisen führten oft in die Oststaaten. Interessanterweise beeinflußten gerade diese Reisen stark meine Einstellung zur WTG.

 

Gemeinsames von ZJ und DDR: Die gebogene Wahrheit

 

Unsere Firma beteiligte sich regelmäßig an der „Leipziger Messe“ in der ehemaligen DDR. Bei Gesprächen mit dortigen Geschäftspartnern, fanden meine Frau und ich gewisse Parallelen der Argumentation regimetreuer Menschen und der in unserer Gemeinschaft. Ob es die allgegenwärtigen Werbesprüche waren, oder die strenge Abschirmung zu anderen Meinungen, alles Praktiken, die uns sehr vertraut erschienen. Einen DDR-Spruch habe ich heute noch im Gedächtnis: „Die Freundschaft mit der Sowjetunion ist so wichtig wie der Herzschlag in unserem Leben!“ Einige DDR-Bürger, die wir gut kannten, versicherten, daß sie solche blöden Texte nie lesen würden. In Gesprächen mit meiner Frau stellten wir oft Vergleiche mit ähnlich klingenden Sprüchen unseres Sklaven an. Diese Gemeinsamkeiten gaben uns zu denken, gleichzeitig führten sie zu einem schlechten Gewissen. Wir waren innerlich doch sehr zerrissen. Bei den Abendgebeten, bat ich Jehova Gott, er möge mir solche lästerlichen Vergleiche verzeihen.

Wir hatten das große Glück, mit Richard und Hans auch über solche Überlegungen sprechen zu dürfen. Das waren natürlich vertrauliche Gespräche. Kam uns dabei ein linientreuer Zeuge zu nahe, flüsterten wir nur: „Achtung, Feind hört mit!“.

Während die DDR noch auf ihre Wende wartete, für uns rückte sie immer näher. Gerade Funktionäre der Einheitspartei in Ostdeutschland, förderten unbewußt mein Mißtrauen gegen Gleichmacherei und Unterdrückung, wo auch immer diese praktiziert wurde. Ich hatte eine kurze Ausbildung zum Kameramann absolviert und reiste dann in verschiedene Länder, um unsere Gleisbaumaschinen zu filmen. In den Ostländern gab es besondere Einschränkungen, so durften u.a. keine Brücken oder Gleisanlagen abgelichtet werden. Eine Maschine sollte auf den Gleisanlagen des Kohlereviers „Schwarze Pumpe“ gefilmt werden. Dazu mußte ich ein Kamerateam aus Ostberlin engagieren, das mir vom Ministerium für Verkehr zugewiesen wurde. Dieses bestand aus sechs Personen. Es gab einen Riesenaufwand mit Regisseur und Assistent. Die Gespräche mit diesen, waren aber recht freundschaftlich. Abends saßen wir oft noch gemütlich beisammen. An einem dieser Abende, bat mich der Regisseur um ein vertrauliches Gespräch. Er nannte auch gleich den Grund. Als führendes Mitglied der SED gehört es zu seinen Aufgaben, durch Befragungen herauszufinden, wie Menschen aus dem westlichen Ausland die DDR beurteilen. Er versicherte glaubhaft, daß ich nichts zu befürchten hätte. Die Ergebnisse solcher Befragung werden Donnerstag Abend, in der Parteisitzung, ausgewertet. Ich hatte Vertrauen zu dem Mann und war froh, endlich über meinen Frust erzählen zu können. Die „Unfreiheit“ stellte ich in den Mittelpunkt meiner Beschwerden. Die Antworten dieses Funktionärs kamen mir bald bekannt vor, weil ich im Predigtdienst oft in ähnlicher Weise antwortete. Natürlich mit etwas anderen Vorgaben. Hier war nämlich der bullige SED-Mann mein Opfer, den ich genüßlich „zerlegen“ konnte. Im Felddienst machen dies die Leute mit mir. Auch er gab einstudierte Antworten und versuchte, unangenehmen Tatsachen auszuweichen. Siehe da, die gleiche Taktik wie bei unserer theokratischen Schulung, so ging es mir durch den Sinn. Dazu ein Beispiel:

 

Im Predigtdienst kommt häufig die Frage: „Warum glaubt Ihre Sekte eigentlich, nur sie allein sei von Gott gebraucht und nur ihre Leute würden von Gott gerettet werden?“. Dann kommt die stereotype Antwort, etwa so: „Wir können nicht wissen, wie Jehova dies beurteilt, die Errettung der Menschen liegt nicht bei uns, sondern nur in seiner Hand“. Das klingt vordergründig einleuchtend und der Gesprächspartner mag denken, das ist eine vernünftige Einstellung. Darin spiegelt sich die doppelzüngige Sprache der WTG wider: für Außenstehende wird häufig direkt das Gegenteil von dem ausgedrückt, was intern als „Gesetz“ gilt. Dem darf man nicht ungestraft widersprechen. Die WT-Organisation vermittelt die Überzeugung: nur sie allein wird von Gott gebraucht und geleitet. Es gibt nur eine Einbahnstraße ins künftige Paradies. Dieses Ziel kann nur der erreichen, der sich dem geeinten „Volk Gottes“ anschließt und gehorsam dem von Christus eingesetzten Sklaven folgt. Es wird auch immer betont, dieses Volk befinde sich bereits in einem „geistigen Paradies“, sie sind anderen Christen weit voraus.

Auch die Funktionäre in der DDR hatten das Gefühl, in einem Arbeiter- und Bauernparadies zu leben und glücklichen Zeiten entgegen zu gehen.

Ich riß den Herrn Regisseur aus seinen politischen Träumereien. So kam ich auch auf die unangenehmen Formalitäten an der Grenze zu sprechen. Er hatte kaum eine Ahnung davon, was sich dort abspielt. Ich geriet ins Schwärmen, über die angenehmen Zustände im freien Österreich. Wie sich doch die Bilder gleichen. Hier der Genosse Regisseur auf der einen, da der Bruder Zeuge, auf der anderen Seite. Zwei „Apparatschiks“. Hier die alleinbeglückende Partei, dort die alleinrettende Organisation. Ohne rot zu werden, wird gelogen und die Wahrheit gebogen. Wer die Partei oder die Organisation angreift, greift direkt in deren Augapfel. Auch die „Bestrafung“ hat Ähnlichkeiten. Wer sich nicht anpassen will, wird schnell unbequem. Wer eigene Entscheidungen trifft und nicht den Anweisungen der Oberen folgt, erfüllt nicht die erwarteten Normen. Das kostet oft die Stelle, den Posten, zumindest den guten Ruf. Oder theokratische Dienstämter.

 

Chronik meiner Wandlung

 

Wachsende Zweifel

 

"Wenn Du zweifelst, wenn sich der versprochene Erfolg nicht einstellt, bist Du „selbst schuld“, weil Du Dich nicht genug einsetzt oder weil Du nicht stark genug glaubst." (Faltblatt)

 

Meine Flucht aus den Schuldgefühlen, verband ich mit der Flucht vor Versammlungsbesuchen. Da ein „Bruder“ mein Arbeitgeber war, hatten die Ältesten auch Verständnis, daß ich geschäftlich viel unterwegs war.

Bei einem Messebesuch in Leipzig, sah ich ein Buch von einem DDR-Verlag mit dem Titel: „Die Zeugen Jehovas“. Wie zur Zeit des „dritten Reiches“, als das Abhören eines Feindsenders tödlich sein konnte, so ist auch ZJ verboten „Schmähschriften“ zu lesen. Was konnte in der DDR schon schlimmes gegen „die Wahrheit“ gesagt werden, dachte ich. Das Buch enthielt eine geschickt gemachte Dokumentation über all die mißglückten Vorhersagen der WTG im Laufe der Jahrzehnte. Einen großen Schreck bekam ich, als die Strategie der WTG beschrieben wurde, die „sozialistischen Länder“ zu unterwandern. So hieß es, die ZJ arbeiten mit illegalen Methoden, diese „wurden für geheime Nachrichten- und Kuriertätigkeiten im Interesse der Untergrundorganisation ausgenutzt“, hieß es wörtlich. Besonders hat mich dann die Abbildung eines Apparates zur Projektion der eingeschleusten Filmmaterialien erschreckt.

Da wurde irgendwo ein geheimer Partner – ein „Informeller Mitarbeiter“ der WTG könnte man sagen – erwischt. Meine Projektormethode war aufgedeckt. Damals beendete ich auch meine „Agententätigkeit“, ich vertraute nicht mehr darauf, daß Gott das alles gutheißt. Gleichzeitig gab ich die meisten Ämter in der Versammlung auf. Die Dokumente des DDR-Buches zeigten bei mir Wirkung.

 

Mit Richard besuchten wir im Predigtdienst häufig eine Gruppe von Studenten, die vor der Promotion in Philosophie bzw. Psychologie standen. Erst später erfuhren wir, daß wir für sie Experimentierobjekte waren. Sie lasen die WT-Schriften, die wir ihnen zurückließen, sehr aufmerksam, um uns mit Hilfe dieser bloßzustellen. Richard ist ein guter Debattenredner, aber diesen Kerlen waren wir nicht gewachsen. Einer sagte ganz offen, sie lernen an der Universität die Methode, bei Gesprächspartnern zuerst die „Wunden“ herauszufinden, um dann darin kräftig zu bohren. Und wie sie bohrten! „Wieso können Sie alles so blind glauben, was da in ihren ´Heftln´ (die WT-Hefte) steht? Hat man Ihnen dort völlig den Verstand geraubt?“ So etwa wurde gebohrt. Das tat ziemlich weh. Auf den Heimwegen fühlten wir uns dann wie zerstört, denn die fanden in unseren vermeintlichen Heiligtümern genug Wunden. Einer der Studenten machte gerade seine Doktorarbeit darin ging es um den Philosophen Immanuel Kant. Er las uns einmal eine Passage aus dessen Werken vor, wobei er diese mit den gewagten Behauptungen im WT in Zusammenhang brachte. Kant definiert Formen der Lügen so:

 

„Eine Lüge aber, sie mag innerlich oder äußerlich sein, ist zwiefacher Art:

1. Wenn man das für wahr ausgibt, dessen man sich doch als unwahr bewußt ist.

2. Wenn man etwas für gewiß ausgibt, obwohl man sich bewußt ist, subjektiv ungewiß zu sein.“

 

„Eure Einflüsterer belügen Euch doch nach Strich und Faden, mit all ihrer Selbstherrlichkeit“, bekamen wir da zu hören. Wir spürten die Wirkung, ähnlich einem Boxer nach gezieltem Schlag auf den Solarplexus.

 

"Diese Gruppe verlangt strikte Befolgung ihrer Regeln und Disziplin – als einzigen Weg zur Rettung." (Faltblatt)

 

Richard entfernte sich immer mehr von den Regeln der WTG. Mir machte dieser „Weg zur Rettung“, immer noch schwer zu schaffen. Im „Hinterkopf“ steckte weiterhin die Angst, „Harmagedon“ könnte plötzlich losbrechen, ich bin nicht in der Hürde und verspiele so mein Leben! Das ist die häufige Denkschablone der „Glieder des Volkes Gottes“.

Endlich Hilfe, wie ich meinte, kam dann durch die beiden schon erwähnten ehemaligen Zweigaufseher der WTG, Walter Voigt und Maurice Fleury. Beide wurden vom damaligen Präsidenten der Gesellschaft, N.H. Knorr, sehr geschätzt. Die WTG brachte immer strengere Verhaltensregeln heraus, einen Teil davon habe ich bereits genannt. Diese Männer standen schon seit Jahrzehnten im spärlichen Sold der Gesellschaft. Nun wollten sie mit den neuen strengen Anweisungen nichts mehr zu tun haben. Walter Voigt, der schon als „Bibelforscher“ zur WTG stieß, fühlte sich im Bethel zunehmend eingeengt. Zwei Amerikaner von der Zentrale, wurden ihm vor die Nase gesetzt. Manche Zeugen kamen zu Walter ins Bethel, nur um sich „auszuweinen“. Da saß dann einer der Amis dabei und lauschte mit. Walter war diesen zu milde und zu nachsichtig geworden. Es herrsche keine richtige Disziplin unter den ZJ in Österreich, wurde bemängelt. Heute würde man die Vorgehensweise dieser Wächter, als „mobbing“ bezeichnen.

Das Firmenunternehmen in dem ich tätig war, expandierte stark. Gerne nahm der Chef Aussteiger aus der WTG in sein Unternehmen auf. Auch mein Stellvertreter in der Werbeabteilung, war ein ehemaliger Kreisaufseher. Dieser mußte nach der Geburt seines Sohnes aus dem Kreisdienst ausscheiden. Eines Tages rief mich mein Chef zu einer Unterredung in sein Zimmer. Zu meinem Erstaunen saß dort auch Walter Voigt. Der Boss wollte anfänglich nicht die Hintergründe nennen, aber dann kam es heraus, Walter wird Mitarbeiter in meiner Abteilung. Erst viel später kam ich dahinter, daß er und seine Frau freiwillig aus dem Bethel ausschieden. Walter wird nach 50 Jahren WTG-Zugehörigkeit und einigen Jahrzehnten Vollzeitdienst – mit 68 Jahren – ein „weltlicher“ Angestellter. Eine entsprechende Vorsorge, wie Renteneinzahlung, war in der WTG nicht üblich. Harmagedon kommt doch schon so bald, da ist jede Rentenvorsorge unnötig. So dachte auch das Ehepaar Voigt zeit seines Lebens, ein verhängnisvoller Irrtum.

Meine Erwartungen in religiöser Hinsicht waren groß. Da kommt nun ein reifer Bruder, beliebt im ganzen Land, der noch dazu viel Erkenntnis hat. So ging es mir durch den Kopf. Sicher würden bald alle meine Zweifel an der Organisation der Vergangenheit angehören. Es kam ganz anders.

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Erinnerungen an eine autoritäre Religionsgemeinschaft

Walter und dessen Frau, hatten längst zu untersuchen begonnen, ob die hehren Ansprüche der WTG, auch vom Worte Gottes gestützt werden. Zuerst zögernd, dann kam es immer deutlicher heraus, das Ehepaar Voigt, machte im fortgeschrittenen Alter Bilanz über sein Leben in Verbindung mit der WTG. Meine Frau und ich wurden vorsichtig in ihre Zweifel eingeweiht. Dann begann die Zeit der Analysen und eine Abrechnung. Wir untersuchten den Wahrheitsgehalt der WTG-Exegesen. Maurice Fleury polterte gegen die früheren Mitstreiter in der US-Zentrale und meinte nur: „die lügen so oft sie den Mund auftun, sie vertuschen die eigene Geschichte, es wird ständig geleugnet und verdreht“. Das konnte und wollte ich nicht einfach akzeptieren. War ich doch „in der Wahrheit“. Oder nicht? Gerade die „leitende Körperschaft“ wird sich doch nach der Wahrheit ausrichten. Oder etwa doch nicht?

 

„Wahre“ Organisation und „richtige“ Lehren?

 

Was brachten unsere Nachforschungen zutage: Während die Christenheit sich mit unverrückbaren Überlieferungen herumquält, beglückt die WTG die wahren Anbeter mit „fortschreitenden“ Wahrheiten! Schöne Theorie, katastrophale Praxis.

Wie sich die wohlklingende Theorie in der Praxis verwirklicht hat, können jene ermessen, die den ZJ längere Zeit angehörten, oder sich intensiv mit ihrer Literatur befassen. Da gibt es fixe Ideen, die heute als göttliche Wahrheit gepriesen und schon morgen stillschweigend fallengelassen werden. Weltende-Termine, die man, nachdem sie durch die tatsächliche Entwicklung widerlegt sind, einfach mit neuen Inhalten füllt (z.B. 1914, 1918). Da sind Bibel-Auslegungen, die gemeinsam mit allen ZJ fest geglaubt wurden, aber plötzlich sind sie als Irrlehre verdammt. Nach ein paar Jahrzehnten kommen sie oft wieder aus der Versenkung hervor und werden dann als „neues Licht“ angepriesen, zum Erstaunen ihrer gutgläubigen Anhänger. Diese groteske Situation fiel mir im September 1972 auf. Da hatte man in den damals 28.407 ZJ-Versammlungen auf der Welt eine ganz neue Ordnung eingeführt: der vorsitzführende Aufseher der Versammlung sollte künftig alljährlich wechseln. Somit wurde jedes Jahr ein anderer mit der Leitung einer ZJ-Versammlung beauftragt. Dadurch kämen die Versammlungen in engere Übereinstimmung mit dem Urchristentum, versicherte der WT vom 1.9.1974. Doch gab es bei dieser Verfahrensweise anscheinend Probleme. Kein Wunder, man stelle sich einmal vor in einem Geschäftsbetrieb bekäme eine größere Abteilung alljährlich einen neuen Chef. Hätte sich der Arme gerade eingearbeitet, müßte er seinen Platz räumen für einen anderen. Die Brooklyner Zentrale hat die durch diese Verfahrensweise entstandenen Schwierigkeiten sehr bald eingesehen und ab Mai 1983 leitete sie die Kehrtwendung ein. Nun war es also wieder vorbei, mit dem jährlichen Auswechseln des leitenden Aufsehers in den ZJ-Versammlungen in aller Welt.

Der ganze Vorgang gibt Anlaß zu folgender Frage: Kann man noch glauben, was der WT lehrt: Werden die „Aufseher und Hirten [wirklich] durch den heiligen Geist ernannt“? (lt. WT 1.10.1969, S. 599). Vom heiligen Geist ist da weit und breit keine Spur! Wohl aber trägt dies alles die Handschrift der Brooklyner Zentrale, die von menschlichen Überlegungen ausgehend – bald die eine, bald die andere – Kehrtwendung diktiert! Kann man noch vom „immer heller werdenden Licht“ sprechen? Von fortschreitender Erkenntnis des Willens Gottes ist da keine Spur! Handelte es sich bei der Neuerung von 1983 doch nur um eine Rückkehr zur Verfahrensweise in den Jahren vor 1972: Nämlich Bestimmung einer Person aus der Ältestenschaft, die den Vorsitz der ZJ-Versammlung wieder auf Dauer inne hat!

Erforscht man die Geschichte der WTG, etwa in ihrem Buch „Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben“, so bemerkt man bald, wie sich ihre Ansichten bezüglich der Versammlungsleitung immer wieder änderten. Diesem Buch zufolge, begann das goldene Zeitalter für die Bibelforscher im Jahre 1919. „Wiederherstellung der wahren Anbetung, die Neue-Welt-Gesellschaft entsteht“, jubelt das Buch. Ein wahrhaft epochales Ereignis! Nun waren inzwischen 64 Jahre vergangen, also Zeit genug, um die „wahre Anbetung“ bis in den letzten Winkel der Erde auszudehnen. Wenn dieses Ziel schon zu hoch gesteckt sein mag, so sollten doch zumindest entsprechende Entwicklungen innerhalb der ZJ-Gemeinschaft erwartet werden. Beim stichwortartigen Geschichtsrückblick verweist das Buch dann auf das Jahr 1938. „Theokratische Organisation der ersten Christenversammlung wiederhergestellt“. Und was war eigentlich vorher? – „Praktiken verschiedener religiöser Organisationen!“ lautet die Auskunft des Buches. „Die ersten Versammlungen der Zeugen Jehovas wurden durch eine presbyterianisch-kongregationalistisch gemischte Methode der Kirchenverwaltung geleitet“ (S. 25). Es war also hoch an der Zeit, wenn 1919 schon die wahre Anbetung wiederhergestellt wurde, den Versammlungen nun eine ihr entsprechende Leitung zu geben. Unter der Überschrift „Jehovas Heiligtum wird gereinigt“ heißt es weiter: „Dann wurde die Prophezeiung gegeben“, daß nach 2300 Tagen Jehovas Heiligtum siegreich sein würde (Daniel 8:13,14). Das sollte die Säuberung der Versammlung von den sogenannten Wahlältesten kennzeichnen. Es erfüllte sich sogar eine Prophezeiung Daniels, so soll man also ehrfurchtsvoll annehmen.

Nun begann ein Verwirrspiel – und Bibelmißbrauch – sondergleichen. Denn die „Beweis“-Stelle aus Daniel 8,14 hat durch die WTG Mehrfachinterpretationen erfahren: In den von Russell geschriebenen „Schriftstudien“ hieß es noch bezüglich der 2300 Abende und Morgen, von denen Daniel spricht: „Eine Zeitperiode von 2300 buchstäblichen Jahren… 454 v. Chr. bis 1846 n. Chr., dem Zeitpunkt, da die Heiligtumsklasse abgesondert wurde durch die Gründung der Evangelischen Allianz…“, (Schriftstudien Bd. 3, Seite 112). Einige Jahre später kam dann die schon oben genannte zweite Version. Im Buch „Dein Wille geschehe“ auf Seite 214 ist die neue Auslegung zu finden. Und was geschah da?, darf man fragen. Antwort: Da erschien ein WT-Artikel zum Thema „Jehovas Organisation“ und kündigte die Verfahrensweise an, „wie sie in den Tagen der Apostel bestanden hatte“. Das zeigt das Buch „Jehovas Zeugen in Gottes Vorhaben“ auf Seite 127. Trotzdem erscheint es im Rückblick rätselhaft, warum es sechs Jahre von der Proklamation des WT im Jahre 1932 – gleichzeitig dem Ende der Zeitspanne der Daniel-Prophezeiung – also daß es bis zum Jahre 1938 brauchte, bis die Theorie in die Praxis umgesetzt wurde. Falls dem Leser der Kopf raucht, uns erging es beim vergleichenden „Bibelstudium“ nicht besser.

Nun gut, ab 1938 ging es in den Versammlungen theokratisch zu, will die WTG glauben machen. Wie eingangs bereits festgestellt, wurde diese theokratische und „gereinigte“ Verfahrensweise 1972 wiederum geändert, den ersten Christen entsprechend, so zitierten wir schon aus dem WT von 1974. Doch hoppla, was ist dann mit der Prophezeiung Daniels in Kapitel 8? Nun, das ist für eine leitende Körperschaft gar kein Problem. Schnell verpaßte man dieser Prophezeiung jetzt die dritte Deutung. Da kommen die sechs Jahre wieder in Erscheinung, nun begannen die 2300 Abende und Morgen nicht 1926 und enden 1932, sondern sie beginnen am 1. Juni 1938 mit dem Erscheinen wiederum eines WT-Artikels mit Titel „Organisation“ und enden am 8. Oktober 1944…

Wer die komplizierten Berechnungen und Erklärungen dazu kennenlernen möchte, um vielleicht Klarheit zu erlangen, der muß sich den WT vom 15. März 1972 zu Gemüte führen. Just in dem Jahr, als das Zeitalter der „rotierenden“ Versammlungsaufseher begann, das aber ab Mai 1983 wieder zu Ende ging.

 

Diese widersprüchlichen Argumentationen und die haarsträubenden Bibelauslegungen, ließen mich immer eindringlicher fragen: Kann das der Weg der Wahrheit sein?

 

Bei einem Gespräch mit einem linientreuen ZJ in unserer Firma, hatte dieser eine bewährte Ausrede parat: Bei früheren Erklärungen der WTG und späteren Änderungen hätten die jeweiligen Artikelverfasser schuld, denn sie „eilten der Zeit voraus“. Aber das kann doch nicht sein, die Verfasser der WT-Schriften sind doch nicht die Putzfrauen oder Schriftsetzer des Brooklyner WT-Verlages! „Da sein heiliger Geist auf die leitende Körperschaft dieser Organisation einwirkt, stimmt deren Rat mit seinem Willen überein“, betont der WT vom 15.9.1965, und fast jede WT-Ausgabe der letzten Jahre beteuert: Nur bei den Zeugen sei die Wahrheit zuhause. „Zu Gottes Organisation und seiner erhabenen reinen Anbetung zu fliehen bedeutet auch, aus den falschen Religionssystemen dieser Welt zu fliehen…“, meint z.B. der WT vom 15.2.1983. Allein die vorgenannten Musterbeispiele drängen doch die Frage auf, warum soll jemand gerade aus den „falschen Religionssystemen“ hinausgehen und zu den ZJ und deren Auslegungschaos kommen? Die Antwort ist ebenso einfach wie überwältigend: „Die falschen Religionen lehren nicht Gottes Wort, sondern ihre eigenen Ansichten“ (WT vom 1.4.1969). Das Buch „Ist die Bibel wirklich das Wort Gottes?“ (1969) kommt sogar zu der Feststellung:

 

„Es geht tatsächlich um die Frage, ob man glauben will, was die Bibel sagt, die es noch nie nötig hatte, auf den neuesten Stand gebracht zu werden, oder ob man leichtgläubig Theorien annehmen will, die von Menschen aufgestellt werden und die sich ständig wandeln“.

 

Merken Verfasser solch hehrer Worte nicht, daß dieser Schuß nach hinten losgeht? Klingt es nicht wie ein Hohn, wenn der Wachtturm kühn erklärt:

 

„Heute zeigen die Tatsachen deutlich, daß das, was Jehovas Zeugen gesagt haben, die Wahrheit war. Sie waren tatsächlich die ganze Zeit von Gottes heiligem Geist geleitet worden!“ (WT, 1.9.1971).

 

Was haben sie nicht alles gesagt in den nunmehr schon 120 Jahren ihrer Geschichte. Und das alles soll  W a h r h e i t  gewesen sein? Bezüglich der o.a. Änderung der Amtsdauer der Versammlungsaufseher beugte die WTG möglicher Kritik aus den eigenen Reihen vor, indem sie im WT vom 15.4.1983, S. 27 unter der Überschrift „Kampf gegen unabhängiges Denken“ folgendes „Gesetz“ erließ:

 

Durch das Studium der Bibel erfahren wir, daß Jehova seine Diener stets auf organisierte Weise geleitet hat. Wie es im ersten Jahrhundert nur eine wahre christliche Organisation gab, so bedient sich Jehova heute nur einer Organisation (Epheser 4:4,5; Matthäus 24:45-47). Es gibt jedoch einige, die darauf hinweisen, daß die Organisation in gewissen Punkten Änderungen vornehmen mußte. Deshalb sagen sie: „Das zeigt, daß wir uns selbst eine Meinung über das bilden müssen, was wir glauben sollten.“ Das ist unabhängiges Denken. Warum ist es so gefährlich? Solches Denken ist ein Zeichen von Stolz. Die Bibel sagt: „Stolz geht einem Sturz voraus und ein hochmütiger Geist dem Straucheln“ (Sprüche 16:18). Wenn wir auf den Gedanken kommen, wir wüßten es besser als die Organisation, sollten wir uns fragen: „Wo haben wir die biblische Wahrheit ursprünglich kennengelernt? Würden wir den Weg der Wahrheit kennen, wenn uns nicht die Organisation angeleitet hätte? Kommen wir ohne die Anleitung der Organisation Gottes aus?“ Nein, das ist uns nicht möglich. (Vergleiche Apostelgeschichte 15:2, 28, 29; 16:4, 5.)

 

Ich erinnere an das „flüchtende Gehirn“ im Faltblatt. Wie oft kommt in den wenigen Zeilen das Lieblingswort ‚Organisation‘ vor? Und das, obwohl keine der angeführten Bibelstellen dieses Wort kennt oder den Gedanken stützt. Das „unabhängige Denken“ fürchtet jede Diktatur, keiner soll den eigenen Verstand gebrauchen. Vertraue der Organisation und zolle ihr Respekt, ist die Maxime der WTG. So etwas soll biblisches Christentum sein?

Um zur Quelle zu gelangen, muß man gegen den Strom schwimmen, das wurde uns immer klarer. Jesus Christus hat dies so gehalten. Das brachte ihn seinerzeit auch in Konflikt mit der etablierten Gesellschaft, mit der jüdischen theokratischen Organisation (Luk.15,1+2; Joh.9,16.34; 19,6-16).

Wo Menschen mit „neuen Wahrheiten“ einer menschlichen Organisation an der Nase herumgeführt werden, ist die Wahrheit nicht zuhause.

 

Das Nachrichtensystem und die Gerichtsbarkeit

 

Das Nachrichtensystem bei den ZJ ist besonders effektiv. Jeder einzelne, der zu irgend einer Versammlung kommt und sagt, er sei ein ZJ, wird kontrolliert. Das geht schnell, die Zentrale hat alle Informationen, auch die Zweigbüros. Informationen sind auch in der Versammlung, welcher der Betreffende angehört. Die Gerichtsverfahren in den Versammlungen der ZJ unterscheiden sich grundlegend von „weltlichen“. Aber nicht nur das. Sie unterscheiden sich ebenso von den Rechtsverfahren des Alten Testaments, obwohl sich WTG gerne auf die „Hebräischen Schriften“ beruft. Während Rechtsangelegenheiten damals öffentlich behandelt wurden, wo jeder zuhören konnte, erinnern die Verfahren bei den ZJ eher den Femgerichten. Nicht selten bilden in dem dreiköpfigen „Rechtskomitee“ Ankläger und Richter eine Personeneinheit. Meistens sitzt der „Angeklagte“ diesen drei Richtern ganz alleine gegenüber, ohne Rechtsbeistand. Die Glieder der Versammlung erfahren vom tatsächlichen Vergehen nichts. Aber: „die Glieder der Versammlung akzeptieren Gottes Urteil und unterstützen es“.                 (WT, 15.12.1981, S. 22)

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Erinnerungen an eine autoritäre Religionsgemeinschaft

Der Ausschluß

 

Auch mein Chef begann die Organisation kritisch zu betrachten. Ich weiß erst heute, wie wichtig es ist, in einer solchen Phase der Unsicherheit, die mit vielen Ängsten verbunden ist, nicht alleine zu sein. Mit entsprechendem finanziellen Hintergrund ausgestattet, konnte der Chef sich abreagieren, indem er ein Buch über seinen Glauben zu schreiben begann. Dabei hat er nicht die Absicht, die WTG ins Visier zu nehmen. Es stand hinter seinem Vorhaben sicherlich der jahrzehntelange eingepaukte Drang, die „Botschaft“ predigen zu müssen. Er bat mich, die Satzherstellung und den Druck zu überwachen, aber auch die Inhalte des Manuskripts zu beurteilen. Auch andere Mitarbeiter die aus der „Hürde“ der WTG kamen, durften mitreden. Da wurde mir erstmals bewußt, wie schwierig es ist, manche Bibelstellen „neutral“ zu beurteilen und auszulegen, ohne auf bereits vorliegende Literatur zurückzugreifen. Es kam bei den Diskussionen über den Inhalt des künftigen Buches, zwangsläufig auch zu kritischen Gesprächen über die WTG. Wir wollten künftig nicht mehr glauben, was uns der Sklave als „geistige Speise“ auftischte. Die Fertigstellung des Buches brauchte eine „Ewigkeit“, weil wir „Bibelkenner“ immer wieder unseren „Senf“ dazugeben wollten. In Anlehnung an ein Sprichwort könnte man sagen: „Viele Bibelköche verderben den Brei“. Daher hat die WTG auch ihre eigene „Küche“ und eigene „Köche“. Damit weltweit Einheit herrschen kann, beansprucht sie das Monopol für die Bibelauslegungen und die Anhänger haben ganz einfach zu „spuren“.

Unser Chef hat zuletzt den Inhalt seines Buches kurzerhand ohne Berater fertiggeschrieben. Ich half bei der Fertigstellung, es erschien im Eigenverlag, der Titel: „Dem wahren Zweck des Lebens auf der Spur“. Der Boss hatte nun die Möglichkeit – bei Gesprächen mit Geschäftsfreunden – etwas anderes als nur die Literatur des Sklaven anzubieten. Gleichzeitig stillte er sein Bedürfnis, weiterhin als Verkündiger der biblischen Botschaft wirken zu können.

 

Ich machte einen Besuch im firmeneigenen Konstruktionsbüro, ein tüchtiger Mitarbeiter war dort, Bruder Fucek, ebenfalls ein ehemaliger Kreisaufseher. Kurt meinte einmal verächtlich: „in eurer Firma landen alle verkrachten Existenzen unserer Organisation, danach fallen sie von ihr ab“. Auch das kam vor. Wenn ich erwähnte, die WTG-Bibelauslegungen seien vom Gutdünken Einzelner abhängig, möchte ich das nun begründen: F. erzählte mir von einem Erlebnis, das ihn seither nicht mehr losließ. Als er in der Zentrale in Brooklyn war, suchte er eines abends in der Bibliothek nach einem bestimmten Buch. Dort hörte er hinter der Bücherwand die Stimme vom WTG-Präsidenten Knorr. Dessen Gesprächspartner waren seine späteren Nachfolger als WTG-Präsidenten, Fred Franz und Milton Henschel.       F. war brennend daran interessiert, die Gespräche der „vom Geist Gottes geleiteten Führung“ mit anhören zu können. Fred Franz sprach dabei über einen Text des Propheten Jesaja (60, 8-10). Der Lauscher an der Wand bekam nun mit, daß dieser Text für die Hauptaussage eines WT-Hauptartikels dienen sollte. Die etwas komplizierte Jesaja-Aussage liest sich in der WT-Bibel so:

 

Jesaja 60:8-10: Wer sind diese, die geflogen kommen so wie eine Wolke und wie Tauben zu ihren Taubenschlägen? 9 Denn auf mich werden die Inseln selbst fortwährend hoffen, die Schiffe von Tarschisch auch wie zuerst, um deine Söhne von fern her zu bringen, wobei ihr Silber und ihr Gold bei ihnen ist, zum Namen Jehovas, deines Gottes, und zum Heiligen Israels, denn schön wird er dich gemacht haben. 10 Und Ausländer werden in der Tat deine Mauern bauen, und ihre eigenen Könige werden dir dienen;

 

F. fiel auf, daß die drei Prominenten sehr heftig diskutierten, was die „Tauben“ darstellen. Nach längerem Disput stellte Franz dann die ultimative Frage: „Und was soll ich nun schreiben?“. Dann einigten sich die Glieder der „leitenden Körperschaft“, daß die „Tauben“ ein Bild der „großen Volksmenge“ sind, die am Ende der Tage (in unserer Generation) als ZJ mit irdischer Hoffnung in Erscheinung treten. Das ist zwar ein Abweichen von Russell, der diesen Text noch mit der Wiederherstellung Israels in Zusammenhang brachte. Die im Vers 9 erwähnten „Inseln“, waren bei Russell ein „Sinnbild von Republiken“. Seinen Nachfolgern ist die Phantasie jedenfalls auch nie ausgegangen.

Hier muß deutlich festgestellt werden: solche Exegeten sind keine Förderer des Bibelglaubens. Im Gegenteil, sie degradieren die Bibel zu einem simplen „Traumdeuterbuch“, aus dem jeder herauslesen kann, was ihm gerade gefällt. Wenn es nur das private „Hobby“ dieser Bibeldeuter wäre! Nein, diese Deutungen müssen ihre Anhänger als eine Art „himmlische“ Botschaft akzeptieren. Als F. noch in Brooklyn weilte, war in einem WT (englisch) genau das abgedruckt, was in der Bibliothek „ausgehandelt“ wurde. F. meinte lächelnd: „ich wurde damals völlig desillusioniert“. Denn in seiner – aber nicht nur seiner – Phantasie hatte er sich immer vorgestellt, daß die WT-Schreiber ihre Eingaben direkt vom heiligen Geist bekämen. Daß diese „biblischen Wahrheiten“ in einem „small talk“ auf den mächtigen Sofas ihrer Bibliothek „erarbeitet“ werden, hatte seinen Glauben an diese göttliche Organisation nachhaltig erschüttert. Jedenfalls blieb die genannte Auslegung auch in den folgenden Jahren erhalten, sie wurde nicht durch „neues Licht“ ersetzt. Wie die USA-Exegeten aus Jesajas „Tauben“ märchenähnliche „Erfüllungen“ konstruieren, soll ein WT jüngeren Datums – als Beispiel – zeigen:

 

Die theokratische Verwaltung in der christlichen Ära: Die große Volksmenge setzt sich aus den „anderen Schafen“ zusammen, die Jesus im Gleichnis von den Schafhürden erwähnte (Johannes 10:16). Die anderen Schafe strömen seit 1935 in die Organisation Jehovas. Sie „kommen so wie eine Wolke und wie Tauben zu ihren Taubenschlägen“ (Jesaja 60:8). Da die große Volksmenge ständig wächst, die Gruppe der Gesalbten dagegen kleiner wird, weil viele sterben und damit ihren irdischen Lauf vollenden, spielen befähigte andere Schafe eine immer größere Rolle im christlichen Werk. In welcher Hinsicht? (WT, 15.5.1997, S. 17-18).

 

Für einen Nicht-ZJ mögen diese WT-Sätze wie mehrdeutige Orakelsprüche klingen. Jedenfalls „befähigte andere Schafe“ gibt es in dieser Organisation mehr als genug, könnte man sarkastisch hinzufügen. Ich gehörte noch dazu, aber nicht mehr lange.

Die meisten ZJ „saugen“ die Aussagen aus den WT-Schriften ehrfurchtsvoll in sich hinein. Ihnen wird nicht bewußt, daß mit ihnen und auch mit der „Heiligen Schrift“ – in unheiliger Weise – Schindluder getrieben wird. Nachdem ich häufig die Zusammenkünfte der Versammlung schwänzte – ebenso die genannten Kollegen und auch der Chef – wurde man von „Oben“ auf uns aufmerksam. Heute vermute ich, daß uns gezielt ein spezieller „Kreisaufseher“ zugeteilt wurde. Es war dies Gerrit Lösch. Dieser war spezialisiert für „Fälle“, wie den unseren. Er erzählte mir später, daß er dafür in „Gilead“ besonders geschult wurde, Zweiflern an den WT-Lehren behilflich zu sein. Kann er uns „wiederherstellen“, wie es jetzt so schön heißt? Bei seinem Besuch in meiner Versammlung, begann Gerrit die Stundenzahl meiner Predigttätigkeit aus der Kartei zu ermitteln. Da war inzwischen Ebbe eingekehrt und das verursacht für einen Kreisaufseher erhöhten Handlungsbedarf. Auf die Frage, warum ich nun so „müde“ im Dienst geworden sei, versteckte ich mich nicht mehr, sondern sagte frei heraus, was mich bedrückte.

Danach folgten an Gerrits freien Tagen eine Besuchsserie bei mir zuhause. Ich bin mir heute sicher, daß die Gespräche auch den ehemaligen prominenten Männern der WTG in unserer Firma als Warnung dienen sollte. Der Weggang meines reichen Chefs tat ihnen besonders weh, war er doch auch ein edler Spender vieler blauer Scheine an die Adresse der Gesellschaft.

 

Gerrit schrieb mir einige Briefe. Darin strotzte es von typischen WT-Begründungen, die mich längst schon anödeten. Er hielt in den nachfolgenden Monaten sein Versprechen, meine Kritiken wurden nicht gegen mich verwendet. Ich ging ähnlich der schon genannten Studenten vor. Die Wunden der Gesellschaft peilte ich an, und bohrte. Gleichzeitig konnte ich meinen Frust abbauen. Der Mann ertrug dies alles mit erstaunlicher Fassung. Gerade diese häufigen Besuche und Briefe waren in meinem Fall völlig kontraproduktiv. Ganz im Gegensatz zu den Erwartungen der WT-Leute fühlte ich mich jedesmal nur noch mehr bestätigt.

Heute ist Gerrit im höchsten Gremium des „Tempels“, wie die Zentrale von Egon einmal respektlos genannt wurde. Vielleicht wird er sogar noch Präsident der Gesellschaft. Im WT vom November 1994 war zu lesen:

 

Leitende Körperschaft erweitert: Um die Besetzung der leitenden Körperschaft der Zeugen Jehovas zu erweitern, wurde den 11 Ältesten, die ihr gegenwärtig angehören, mit Wirkung vom 1. Juli 1994 ein weiterer hinzugefügt. Es handelt sich dabei um Gerrit Lösch. Bruder Lösch begann am 1. November 1961 mit dem Vollzeitdienst und besuchte die 41. Klasse der Wachtturm-Bibelschule Gilead. Von 1963 bis 1976 stand er in Österreich im Kreis- und Bezirksdienst. 1967 heiratete er, und gemeinsam mit seiner Frau Merete gehörte er später 14 Jahre lang zur österreichischen Bethelfamilie in Wien. Vor vier Jahren wurden sie ins Hauptbüro der Gesellschaft in Brooklyn (New York) versetzt, wo Bruder Lösch seither in der Verwaltung sowie als Gehilfe des Dienstkomitees tätig gewesen ist. Nicht zuletzt dank seiner vielfältigen Erfahrung im europäischen Gebiet und seiner Sprachkenntnisse in Deutsch, Englisch, Rumänisch und Italienisch wird er einen wertvollen Beitrag zu der Arbeit der leitenden Körperschaft leisten.

 

Während Gerrit die WTG-Karriereleiter hinauffiel, ging es bei mir genau umgekehrt. Der Monolith in Brooklyn hat sich mit Gerrit einen fähigen Mitarbeiter geholt, intelligent und ergeben. So ist er ein guter „Diener seines Herrn“, mit solchen können Körperschaften à la WTG noch viele Jahre weiterbestehen.

Wir Kritiker und Zweifler vereinbarten, künftig noch schweigsamer zu sein. Den „treuen“ Kollegen sollte kein Anstoß geliefert werden. Richard meinte einmal, daß wir eigentlich mit diesen Leuten viel zu rücksichtsvoll umgingen. Umgekehrt kennen die kaum einen Pardon. Ich war bemüht, keinen Gemeinschaftsentzug zu provozieren. Die Zusammenarbeit mit ZJ-Kollegen in der Firma sollte nicht gestört werden. Mit ihnen keine religiösen Gespräche zu führen, war dabei eine notwendige Voraussetzung.

Um eine Art Bestätigung für mein bewußtes Abwenden von der WTG zu haben, fotokopierte ich etliche spezielle Zitate aus der WT-Literatur. Eines Tages besuchte mich im Büro ein ZJ, mit dem wir geschäftlich zusammenarbeiteten. Er kam dabei schnell zu seinem persönlichen Anliegen: „Du hast doch seinerzeit mitgeholfen, daß ich zu den ZJ ging und nun hörte ich, du habest sie verlassen. Was ist dein Grund dafür?“ Ich wollte nicht, daß mein ZJ-Kollege, der sich im gleichen Zimmer befand, meine Antwort hörte. Daher griff ich in die Schublade und überreichte wortlos die Collage mit den WT-Zitaten. Bruder S. blätterte lange darin und runzelte dabei die Stirn. Dann gab er mir die Blätter zurück und verabschiedete sich ziemlich abrupt.

 

Etwa zwei Wochen später, am Abend. Ich saß mit meiner Frau gemütlich vor dem Fernsehapparat beim Gläschen Wein, da klingelte es an der Tür. Meine Frau öffnete, draußen standen zwei Brüder vom Komitee unserer Versammlung. Sie wollen mit mir alleine sprechen. Meine Frau mußte ins Nebenzimmer gehen. Nach einigen Höflichkeitsfloskeln kamen die Männer zur Sache: „Wir wurden beauftragt, bei dir nachzufragen, welche Schriften du verbreitest?“ Auf meine Gegenfrage, welche Art „Schriften“ sie meinen, wurde so beantwortet, daß sie eben hier seien, um dies von mir zu erfahren. Ich konnte ihnen wirklich nicht weiterhelfen, denn ich hatte bis dahin noch nie WTG-“verbotene“ Schriften verteilt. Dann gaben sie zu, vom Bethel den Auftrag erhalten zu haben, mich das zu fragen. Es war ihnen sichtlich unangenehm.

Ganz anders empfinden die Leute vom Bethel. A., ein Bezirksaufseher und führender Mann im Bethel besuchte mich und kam im Vorraum schnell auf den Punkt. „Würdest du dich zu einer Komiteesitzung einfinden?“ Auf meine Frage, was man mir denn vorwerfe, beantwortete A., daß man Kenntnis von meinen WT-Auszügen besaß. Es wurde dabei auch der Name meines Besuchers im Büro, Bruder S., genannt. Ich bestand darauf, daß dieser bei der Sitzung als „Zeuge“ zur Verfügung stehen müsse. Das wurde etwas zögernd akzeptiert, danach wurde ein Treffen im Königreichssaal vereinbart, dann rauschte A. ab.

 

An einem kalten Februarabend war es so weit. Nach langer Abwesenheit kam ich wieder in meinen zuständigen Versammlungssaal. Das Gericht konnte beginnen. Den Vorsitz führte überraschenderweise A. vom Bethel, mein zuständiger Versammlungsaufseher war nicht anwesend. Das entspricht nicht der Norm. Anscheinend ist das heute „oberste Kommandosache“, dachte ich mir. Ein sehr verlegen wirkender Bruder S., auf dessen Anwesenheit ich bestanden hatte, nahm ebenfalls Platz. Insgesamt waren wir fünf Personen. Dann wurden die Anklagegründe genannt: „Warum hast du Bruder S. Schriften gezeigt?“ Zuerst verlangte ich eine Klarstellung und fragte S., ob ich ihn, oder er mich besucht habe. S. erzählte, wie es war. Dann stellt ich die Frage: „Habe ich dir denn unaufgefordert etwas gezeigt?“ S. beantwortete alles den Tatsachen entsprechend. Jetzt wandte ich mich an A. und fragte, was man eigentlich von mir wolle. Dies wurde so beantwortet: „Du hast S. total verwirrt und im Glauben geschwächt“. Ziemlich erstaunt erwähnte ich nur, daß ich S. doch nur Teile der WT-Literatur gezeigt habe. Nun kam die altbekannte Antwort: „Diese Zitate waren sicherlich aus dem Zusammenhang gerissen“. Eine kuriose Entwicklung des Gesprächs begann. A. fragte, wie ich eigentlich dazu käme S. solche Zitate zu zeigen. Da wandte ich mich an S., dieser bestätigte seine an mich gestellte Frage wegen meines Fernbleibens von den Versammlungen. Da meinte A. zu mir: „Du bist doch ein reifer Bruder, im Gegensatz zu S., der ist ja noch ein Neuling, warum mußtest du ihn so verunsichern!“. Wieder fragte ich S., ob er denn regelmäßig die Zusammenkünfte besuche. Nachdem er zögernd bejaht hatte, sagte ich zu A.: „Also S. besucht regelmäßig die Zusammenkünfte, ich bin aber schon viele Monate nicht mehr in diesem Saal gewesen, jetzt frage ich euch: Wer von uns beiden ist wirklich der ´Reifere´?“. Nun war ich richtig in Fahrt.

 

Den Höhepunkt lieferte A. mit der Feststellung, ich müsse doch nicht jede Frage – etwa wie S. sie mir im Büro stellte – beantworten. Auf diese Argumentation war ich vorbereitet. Ich holte aus meiner Tasche einen „Redeplan“ für Vortragsredner, der in Brooklyn verfaßt wird. Das Thema meines Vortrags hatte gelautet: „Immer die Wahrheit sprechen“. Aus dem Redeplan las ich folgende Passage:

 

Wir müssen der Wahrheit gemäß reden, keine Tatsachen vor denjenigen, die es wissen sollten, zurückhalten.

Unsere Brüder verdienen es, die Wahrheit zu hören, und sollten niemals irregeführt werden. (Lies Sacharja 8:16)

Selbst wenn man Tatsachen verheimlicht, kann man Dingen eine andere Bedeutung geben: könnte zu Streit und Kummer unter Brüdern führen. Mag Zeit und Übung erfordern, zu lernen, in dem was wir sagen, ehrlich und freimütig zu sein; ist der Welt gegenüber ein Kontrast.

 

Die Kernaussagen solcher Stichwörter sind für Vortragende verbindlich. Meine Ankläger saßen mir jetzt ziemlich ratlos gegenüber. Sie durften doch nicht dem aus Brooklyn stammenden Rat widersprechen.

Schnell zogen sie sich dann zur Beratung zurück. Diese Vorgangsweise erinnert an ein weltliches Gericht. Meine Richter ließen mich lange warten. Sie schienen uneinig zu sein und entließen mich schließlich ohne ein Urteil zu fällen. Erst am nächsten Tag wurde mir an meiner Wohnungstüre mitgeteilt: „Wir haben dir die Gemeinschaft entzogen!“. Ich bin in diese Gemeinschaft zwar nie als Mitglied eingetreten, nun bin ich aber als Übeltäter hinausgetreten worden.

Ich kannte die Regeln der WTG ziemlich gut, saß ich doch einige Jahre auf der anderen Seite, nämlich auf dem Ankläger- und Richterstuhl. Diese Verhandlung hat ganz objektiv keinen Ausschluß gerechtfertigt, davon war ich überzeugt. Ich mußte dabei auch an die lästerliche Behauptung der WT-Leute denken, daß Ausschlüsse vom „heiligen Geist“ gelenkt seien.

 

Meine Kollegen in der Firma – die altgedienten ehemaligen Zweigaufseher – bestätigten mir, ein solcher Ausschluß sei auch nach WTG-Statuten ungerechtfertigt. Sie meinten, ich möge doch gleich Berufung gegen dieses Urteil einlegen. Davon war ich weit entfernt.

Mir werden es viele nicht glauben, aber dieser Rausschmiß aus „Jehovas Organisation“, verschaffte mir große Erleichterung. War ich doch schon seit Monaten innerlich sehr zerrissen. Der Streß des Alltags, ferner im Beruf, dann die Unsicherheit, ob ich mit der Kritik und dem Abwenden von der WTG, nicht eine große Dummheit begehe. Bin ich Jehova untreu geworden? All diese Fragen belasteten mich Tag und Nacht. Mein Glück war, daß auch meine Frau all die Ungereimtheiten innerhalb dieser Gemeinschaft registrierte. Eigentlich verließen wir „die Wahrheit“ schon Monate vor meinem Ausschluß. Mir sind auch genug Fälle bekannt, wo Ehen zwischen Aussteigern und „Treuen“ zerbrechen.

Auch die Atmosphäre in der Firma mit den ZJ-Kollegen wurde immer gespannter. Gut war, daß die Firmenleitung auf meiner Seite stand. Kollegen, die nicht den ZJ angehörten, aber zwangsläufig meine Exkommunikation mitbekamen, konnten dieses „christliche“ Verhalten überhaupt nicht verstehen. Diese Gemeinschaft ist auf ihren guten Ruf bedacht, da bleibt kein Platz für Nörgler wie mich. Die Organisation benötigt ihre künstliche Reputation, das erfordert eben strenge Maßnahmen. Alles zur Ehre Jehovas.

Der ZJ-Mitarbeiter in meiner Abteilung sagte mir mit ernster Miene: „Du machst dir´s aber leicht!“. Da mußte ich ihn gleich berichtigen, mein Ausstieg aus dieser Organisation geschah keineswegs unüberlegt. Ein weiterer Verbleib hätte mich in noch größere Gewissenskonflikte gebracht. Das können linientreue Mitläufer kaum begreifen. Daher vermied ich jede Diskussion mit den ZJ-Kollegen, ich erkannte, daß dies auch völlig zwecklos war. Den Glauben an Gott und die Bibel wollte ich unbedingt aufrechterhalten. Aber wie und wo konnte ich das künftig durchführen? Vielleicht im Alleingang?

Peter, ein anderer ZJ-Firmenkollege, schrieb mir einen längeren Brief und schnitt dabei die neue Situation an:

 

Es war tatsächlich nur eine Frage der Zeit, daß der „Stein“ ins Rollen kommt. Die ganze Entwicklung und Dein Verhalten gestaltet sich wie in hunderten Fällen vorher. Wenn ich daran denke, daß wir vor vielen Jahren gemeinsam getauft wurden!

Wie kann ich mit Dir Jehova besser dienen als bisher, wenn ich nicht zum „Zeugnisgeben“ eingeladen werde, wenn ich nur einmal im Jahr eine „Anleitung“ erhalte und nicht so oft ich will, in der Gemeinschaft gleichgesinnter Menschen sein kann?

Es stimmt, daß sich die „Ältesten“, welche offiziell sprechen, oft geirrt haben – so wie wir – weil sie Menschen sind – so wie wir – obwohl sie den Geist Gottes haben – so wie wir – oder nicht so wie wir? Soll ich glauben, daß Du Gott nicht liebst – nein, also warum soll ich glauben, daß die Brüder nicht Gott lieben? Du und ich, wir könnten einmal zu den „Elfen“ [leitende Körperschaft] gehören. Du und Deine Freunde bieten einfach nicht das, was Z.J. bieten. Vielleicht wirst Du, oder werdet Ihr einmal besser, obwohl ich keinen biblischen Hinweis dafür kenne, dann schließe ich mich gerne an. Allein würde ich den Glauben verlieren und „Religionsgründer“ zu sein, erwartet Jehova nicht von jedem.

 

Gerade der letzte Satz in Peters Brief, zeigt deutlich die Probleme der Zweifler. „Ohne Organisation glaube ich nicht!“. Das bekomme ich immer wieder zu hören. Ohne Ketten und Fesseln der „Gurus“ geht es direkt in die Glaubenslosigkeit. Diese Denkart ist sehr bedenklich, fraglich ist auch die Qualität des Gottesglaubens! Viele bleiben mit allen ihren Zweifeln an den Stühlen der Königreichssäle kleben. Sie kommen von dort einfach nicht mehr los. Die Menschen sind „sektensüchtig“ gemacht worden, und diese Sucht hält sie fest.

Auch Schwester K. aus Bratislava – meine geheime Literaturempfängerin jenseits der Grenze – schrieb mir einen sechsseitigen Brief, da bekam ich „Saures“:

 

Du warst bei der Wahrheit, aber nicht  i n  der Wahrheit. Denn an Jehova Gott zu glauben, durch seinen Sohn Jesus Christus, bedeutet ihn erkennen, sein Vorhaben usw. Also zweifelst Du daran, daß Gott Jehova eine irdische Organisation hat (wie eine himmlische). Gegründet durch Gottes Geist, durch Jesus Christus, deren erste Mitglieder die Apostel waren. Und nun geschieht dies weltweit, da stoßen sich Menschen daran, indem sie es beurteilen, Fehler kritisieren, dabei vergessend, daß sie Jehova Gott und Jesus Christus kritisieren. In deren Auftrag geschieht das Werk heute. Jetzt Jehova Gott und seinen Anweisungen durch seine Organisation ungehorsam zu sein, bedeutet Tod. Denn es heißt, es ist furchtbar in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen.

Lieber Gerd, wie würde ich mich freuen, um Jehovas willen, wenn Du den Weg zu Jehova, im Vertrauen auf sein Wort, finden würdest. Denn er ist ein barmherziger liebreicher Vater und gerne bereit seinen Kindern zu helfen und zu vergeben. Und dies können wir nur in Gemeinschaft mit Gottes Volk und seiner Organisation tun. Ringe danach in die neue Weltordnung einzugehen… In diesem Sinne wünsche ich, daß Du Jehova bittest, er soll Dir helfen, daß Du wieder ganz zu ihm zurückkehrst, nicht mit Worten, sondern in der Tat.

 

Solche „Ermunterungen“ empfand ich wie Tiefschläge. Solche Ratschläge waren mehr Schläge als Rat und gingen gänzlich an den Tatsachen und meinen Problemen mit der WTG vorbei. Der Monolith „Organisation“ war nun endgültig und krachend zu Boden gestürzt, eine Rückkehr zu ihm, wurde durch solche „ermunternden“ Briefe nur noch unwahrscheinlicher. Langsam verringerten sich auch die Ausstiegsbelastungen.

 

Ist die WTG nur „ein kleineres Übel“?

 

Viele ZJ bezweifeln längst die hohen Ansprüche ihrer Gemeinschaft, die Realität bleibt ihnen nicht gänzlich verborgen. Jedoch ist ihr soziales Umfeld nur auf diese Gruppe konzentriert. Verwandte, Freunde, viele davon sitzen mit ihnen im vertrauten Kreis der Mitbrüder und -schwestern. Verwandte, die nicht dazugehören sind längst zu Fremden, wenn nicht gar zu Feinden, geworden. Der Ausstieg – oder noch schlimmer: der Ausschluß – aus diesem geistigen Ghetto führt oft in die Vereinsamung. Dabei spielt sich in den Sekten nur allzu Bekanntes ab. Das gibt und gab es längst. Viele Jahrhunderte lang!

Während z.B. in der Politik die Unterstützung kleinerer oppositioneller Gruppen und Parteien nur als „Denkzettel“ an die Adresse der großen Etablierten gedacht ist, erfolgt mit dem Anschluß an eine Sekte zumeist eine sehr tiefe Bindung, in vielen Fällen eine fast unauflösliche. Das hat viele Gründe. Politische Oppositionsgruppen leben von der Kritik an den etablierten Parteien, sind gleichzeitig der öffentlichen Kritik ausgesetzt. Sekten leben von der Kritik an den etablierten Kirchen, schotten sich jedoch gegen jede Kritik von innen und außen hermetisch ab. Eine Sekte überschüttet ihre religiöse Konkurrenz gleich kübelweise mit spitzer Polemik bei gleichzeitiger Beweihräucherung des eigenen Werkes.

Schwarzweißmalerei schafft die „richtige“ ideologische Ausrichtung. Das alte Schema: „Hier Organisation Jehovas“ – dort „Organisation Satans“, das ist bei ZJ längst bewährte Tradition. Sie liefern dafür auch die passenden „biblischen Vorbilder“ in Gestalt alttestamentlicher Persönlichkeiten: Da wird der böse König Saul zum „Bild der Christenheit“ hochstilisiert, die ja immer „Jagd auf David“ macht, durch den sich die ZJ dargestellt meinen. Nur sie sprechen „die reine Sprache“ der Wahrheit, während sie Gott „Schulter an Schulter“ dienen. Obwohl solches Freund/Feind-Denken weder sachgerecht noch christlich ist, scheinen nicht wenige – mit den Kirchen unzufriedene – Menschen auf derartige Sirenenklänge hereinzufallen. Viele der Neugewonnenen bleiben in den Fängen der Sekte. Wie ist das möglich?, so werde ich oft gefragt. Es ist m.E. im wesentlichen die Frucht der erwähnten Taktik: Dauernde Verunglimpfung anderer Christen, bei gleichzeitiger Hervorhebung der eigenen Vorzüge und Verschleierung der Schwächen. Die Sekte züchtet sozusagen einen Menschentyp, der – einem Sportfan vergleichbar – ganz in seiner Mannschaft aufgeht, der alles Tun der eigenen Mannschaft rosarot sieht, das der Gegner dagegen Grau in Grau. Ein Versagen des Gegners wird mit gellenden Pfiffen quittiert; Fehler der eigenen Mannschaft geflissentlich übersehen. Weisen andere auf letztere hin, betrachtet man sie als ungerecht und parteiisch. Was in der Welt des Sports belächelt oder zumindest als harmlos betrachtet wird, kann sich für Christen geradezu lebensgefährlich auswirken: Jesus hat denen, die anderer Leute Fehler dick ankreiden, die eigenen aber zu vertuschen suchen, ins Stammbuch geschrieben: „Verurteilt nicht, damit ihr nicht verurteilt werdet. Denn mit dem Urteil, mit dem ihr urteilt, werdet ihr verurteilt werden; und mit dem Maß, mit dem ihr meßt, werdet ihr gemessen werden“ (Matth.7,1.2). Der Apostel Paulus ist dem Herrn Jesus in dieser Einschätzung des „Richtgeistes“ gefolgt und schrieb deshalb an die Christen in Rom:

 

„Darum bist du ohne Entschuldigung, o Mensch, der du richtest, wer du auch bist. Denn worin du den andern richtest, darin verdammst du dich selbst, weil du dasselbe tust, was du verurteilst“ (Röm.2,1).

 

Herrschen und Richten, das ist die Konsequenz eigenwilliger Bibelauslegung und angstmachender Enderwartungen. Wer „wahrer“ Christ ist, bestimmt die Sekte. Wer draußen ist, bleibt auf der Strecke. Durch das weltweite Predigtwerk wird schon entschieden, wer „Weizen“ und wer „Unkraut“ ist, und „Jehova“ hat das gefälligst zu respektieren, möchte man scherzhaft hinzufügen. Ohne Bild gesprochen: Solange diese Weltzeit nicht abgelaufen ist und wir daher fortfahren zu beten „Dein Reich komme!“, werden Gläubige und Ungläubige, Heilige und Heuchler nebeneinander leben. Alle Versuche, vorzeitig „das Unkraut vom Weizen zu scheiden“, werden dazu führen, daß man mit dem Unkraut den Weizen ausrauft, wie die Geschichte der Inquisition und Ketzerverfolgung ebenso belegt wie die des ZJ-„Gemeinschaftsentzugs“. Daher mahnte der Apostel Paulus: „Richtet nichts vor der Zeit“. (1.Kor.4,5).

 

Die WT-Führer und ihre Oberfunktionäre richten nicht nur, sie herrschen auch schon vor der Zeit! Das ist eine der verhängnisvollsten Folgen übereilter Vorausdatierung für das Weltende und das Kommen des Reiches Gottes! Denn im kommenden Reich Gottes sollen ja – nach Paulus – „die Heiligen die Welt richten“ (1.Kor.6,2) und – nach der Offenbarung des Johannes – werden sie „Priester Gottes und Christi sein und mit ihm (d.h. mit Christus) regieren“ (Offbg.20,6; 22,5). Ist nun aber der Herr Jesus Christus schon wiedergekommen, um sein Reich aufzurichten, sei’s 1874 (nach alter WT-Chronologie) oder im Jahre 1914, was liegt näher, als daß diejenigen, die es so sehr eilig haben, heute schon mit dem Herrschen und Richten beginnen! Solche Leute gab es schon zu Lebzeiten des Apostels Paulus. In der Gemeinde der Thessalonicher behaupteten einige, der „Tag des Herrn“ sei schon da (2.Thess.2,2), und in Korinth fingen manche offenbar (mit der gleichen Begründung?) zu herrschen an. Deswegen begegnet ihnen der Apostel mit beißendem Spott und zugleich mit aller Deutlichkeit: „Ihr seid wohl schon satt, ihr seid schon reich geworden! Ihr seid schon ohne uns Herrscher geworden…“ (1.Kor.4,8). Die vorzeitige, also zu Unrecht angeeignete Herrschaft ohne Christus und die Apostel, hat immer antichristlichen Charakter. Das ist usurpierte Macht und somit unchristlich, da es einen absoluten Untertanengeist von ihren Anhängern fordert. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß die WT-Führung ihre Theokratie unter permanenter Benutzung des Namens Jehova „feiert“. Ein Fest, das die Israeliten seinerzeit begingen – bekannt durch den damit verbundenen „Tanz um das goldene Kalb“ – wurde von ihnen ausdrücklich als „ein Fest dem Jehova“ deklariert. Der antichristliche Charakter wird auch dadurch unterstrichen, daß Loyalität der Organisation gegenüber gleichgesetzt wird mit der Treue zu Gott. Im WT vom 15.1.1968 wird das besonders deutlich. Die Überschrift: „EINHEIT DURCH UNTERORDNUNG“. Nach dem Vorbild politischer Diktaturen dieser Welt werden die Massen auf die Anweisungen des Diktators eingeschworen, bei Abweichungen erfolgen Sanktionen. Schon vor potentieller Mißachtung der – als Ratschläge verharmlosten – Anordnungen wird mit drohenden Worten gewarnt:

 

„Ratschläge zu übersehen, die jemandem vom Hauptbüro oder von den Dienern der Ortsversammlung zugehen mögen, wäre Nachlässigkeit und ein Zeichen der Mißachtung theokratischer Autoritäten“ (WT, 1.7.1957, S. 409).

 

Diese Grundeinstellung der WTG hat sich bis heute überhaupt nicht geändert: „Zu Jehova halten heißt zur Organisation halten.“ Dazu gehört auch, wie es eine Illustration im Wachtturm vom 15.3.1986 zeigt, daß man „die Schriften Abtrünniger“ vernichtet: Eine Zeugin wirft eine Aufklärungsschrift ungelesen in den Papierkorb, im Hintergrund ist noch der Postbote zu sehen. Auf Seite 13 der genannten WT-Ausgabe heißt es sogar: Schriften Abgefallener kämen pornographischen Schriften gleich! Ist es – nach allem – noch erstaunlich, daß die so zur Räson Gebrachten nur noch die Schriften des selbsternannten treuen und verständigen Sklaven lesen und Literatur Andersdenkender meiden wie die Pest? Besonders die Schriften ehemaliger Zeugen könnten die Augen öffnen, man erfährt plötzlich, was dieser Sklave im Laufe seiner Geschichte prophezeite und später uminterpretierte. Ein ZJ könnte dabei ins Schleudern kommen, wenn ihm oder ihr aufgeht, wie diese Gesellschaft – die sich als Hüterin der Wahrheit aufspielt – ihre eigene Geschichte fälscht. Er (oder sie) könnte an der Honorigkeit der WTG irre werden, sobald sich zeigt, daß sie erst nach dem vielfältigen Bekanntwerden ihrer Falschprophezeiungen überhaupt zu dem Eingeständnis bereit war, das „neue System früher erhofft“ zu haben, als dies nach Jehovas Zeitplan vorgesehen ist. Laut WT kommt dann die Schlußfolgerung: „Die Beweise liegen auf der Hand, daß sich Jehova seiner einen Organisation… bedient hat und weiterhin bedienen wird.“

 

Nach meinem Ausschluß hatten auch andere ZJ in meiner Umgebung den Entschluß gefaßt, die Organisation zu verlassen. Wir Gleichgesinnten hatten es relativ leicht, das ernsthafte Prüfen der WTG-Lehren wurde mit kompetenten Gesprächspartnern durchgeführt. Dabei bremsten wir uns oft gegenseitig. Es wäre auch völlig unvernünftig, aus dem WTG-Lügengespinst hinauszugehen und dann Opfer der eigenen Phantasie zu werden. Das hielten wir uns immer vor Augen, und das tun wir heute noch.

Ein häufig von ZJ vorgebrachter Einwand ist: „Ich bleibe beim kleineren Übel“. Für sie gibt es keinerlei Alternative zu ihrer Organisation. Da höre ich auch folgendes: „Die anderen Gruppen sind ja weit schlimmer als wir, dort gibt es nur falsche Lehren und unsittliche Leute. Daher bleibe ich lieber in meinem vertrauten Umfeld, wenn ich irgend einmal eine komische Ansicht lese oder höre, dann denke ich mir eben meinen Teil“. Mein Kollege in der Abteilung sagte mir: „Bedenke, wo es Menschen gibt da menschelt es“. Was ist das doch für ein Leben „in der Wahrheit“, hier betrügen sich die Mitläufer selbst, um ja nicht aus der trügerischen Geborgenheit gerissen zu werden.

Kann es wirklich das „kleinere Übel“ sein, einer Organisation anzugehören, die sich bzw. ihre Führung an die Stelle Christi setzt? Die sich in simplifizierender Weise ständig selbst beweihräuchert, alle andern aber verurteilt zur Vernichtung in Harmagedon. Die unter Mißbrauch des heiligen Gottesnamens ihre Macht etablierte und immer weiter zu entfalten sucht, nach Art der Herrscher dieser Welt, obwohl Jesus warnte: So soll es unter euch nicht sein! Die mit unbeschreiblich selbstgefälligem Moralismus so tut, als könne man durch ausgefeilte Gemeinschaftsentzüge schon in dieser Weltzeit eine reine Gemeinde schaffen. Ausgerechnet die Zugehörigkeit zu dieser Organisation soll das „kleinere Übel“ sein?

 

Angst vor „Liebesverlust“ führt zu Schuldgefühlen

 

Die Freiheit kostet ihren Preis. Nicht mehr „dazugehören“, ist eine schmerzvolle Erfahrung. Es kommen nicht mehr Gleichgesinnte zu dir und sagen das übliche „Grüß Dich!“. Der Ausstieg ist daher mit Liebesverlust verbunden. Zur „Bruderliebe“ benötigt man natürlich den passenden Bruder. Es treten nach der Befreiung einige Probleme auf, am schlimmsten die Angstgefühle. Ein junger Aussteiger mußte psychisch therapiert werden. Er träumte des Nachts von Harmagedon und sah dabei gewaltige Felstrümmer auf sich fallen. Seine Mutter, die bei den ZJ blieb, zahlte ihm die Kosten für den Psychotherapeuten.

Die Organisation Jehovas will keine mündigen Anhänger, sie will abhängige. Es gibt Erwachsene, die Jahrzehnte dabei sind und nie richtig „großjährig“ werden. Da besteht ein kontinuierlicher Zustand kindlicher Abhängigkeit. Bricht jemand aus, dann zerbrechen unweigerlich auch einige Freundschaften. Die darauf folgende Einsamkeit kann quälend sein. Aber das gehört zum Entwicklungsprozeß auf dem Weg zum „erwachsen werden“. Erlernbar ist die Beseitigung der Angst vor Veränderungen. Dies schaffen zwar – wie ich inzwischen aus Erfahrung weiß – nicht alle Aussteiger und bleiben dann mit ihren Ängsten allein. Das ist der Grund warum viele der Organisation „treu“ bleiben und sie bleiben gleichzeitig mit sich selbst unzufrieden. Ein guter Nährboden für psychische Probleme.

Ich merkte erst viel später, auch ich blieb nicht ganz ungeschoren vom psychischen Druck und kleinen Ängsten. In dieser Organisation wird man nicht „auferbaut“, eher „verbaut“. Vergleichsweise denke ich dabei immer an den schiefen Turm zu Pisa. Den kann man zwar mit Betonspritzen vor dem Einsturz bewahren, aber die schiefe Lage bleibt. Auch ein „altgedienter“ Zeuge wird seine Vergangenheit nie völlig los. Die „Droge“ zeigt Langzeitwirkung. Viele Fachleute meinen, die Aussteiger sollten „deprogrammiert“ werden, da mag einiges dran sein. Viele Außenstehende fragen mich häufig, wie wird eine gottsuchende Person überhaupt derartig verbaut, um am Ende einen Psychotherapeuten zu benötigen.

 

Eine „christliche“ Religion, die krank macht?

 

Wer in die Versammlungen der ZJ geht und mit ihnen in den Predigtdienst zieht, kommt ja nicht aus einem ruhigen Schlaraffenland, in dem den behaglich Schnarchenden die gebratenen Tauben sozusagen in den Mund fliegen. Auch ZJ leben mitten in unserer Leistungsgesellschaft, in der nur Tüchtige und Fleißige zu etwas kommen, alle anderen dagegen bleiben auf der Strecke. Schon in der Schule fängt es an: Kannst du was, leistest du was, so wirst du was. Wer versagt, „versaut“ sich u. U. schon hier das ganze Leben. In der Zeit der Berufsausbildung setzt sich das Leistungsprinzip verstärkt fort und hält bis zur Erreichung der Altersgrenze an. Längst wurde das darwinsche biologische Prinzip der „natürlichen Auslese“ und vom „Überleben des Stärkeren“ auf das Gebiet des Soziologischen übertragen: Freie Bahn dem Tüchtigen! – Dem Versager der Untergang! Kommen nun Menschen aus einer so geprägten Leistungsgesellschaft in die ZJ-Bewegung, potenziert sich der Streß: Zur Werktagshektik am Arbeitsplatz oder der Schule kommt die Abend- und Wochenendhektik. Die zahlreichen wöchentlichen Zusammenkünfte müssen regelmäßig besucht werden, vor allem aber der Predigtdienst für Jehova, ohne den niemand das Ende dieses bösen Systems der Dinge überleben kann, erfordert viel Zeit und Kraft. Neben dem Dienst von Tür zu Tür ist „Straßendienst“ zu leisten, Rückbesuche und Heimbibelstudien bei interessierten Leuten stehen auf dem Wochenplan jedes einzelnen ZJ. Welcher gesunde Mensch kann solche Doppelbeanspruchung – durch die weltliche und theokratische Leistungsgesellschaft – auf die Dauer durchhalten, ohne schwere psychische Schäden davonzutragen? Wieviel mehr kommen Menschen mit labiler psychischer Konstitution durch solchen Mehrfachstreß an den Rand des Nervenzusammenbruchs! Außenstehende äußern gelegentlich den Gedanken, Jehovas Zeugen seien wohl ausschließlich auf Erfüllung ihrer religiösen Pflichten bedacht, während sie ihre irdischen Aufgaben vernachlässigen. Gerade das sollen sie nach offizieller Lehre nicht. Zwar wird die weltliche Arbeit gegenüber der theokratischen auf den zweiten Platz gerückt, doch werden sie ermahnt, auch diese so gewissenhaft wahrzunehmen, als wäre sie für Jehova getan.

 

Der Neuling, der diese Organisation ja nur aus deren Selbstdarstellung und von ihrer „Schokoladenseite“ her kennt, mag es tatsächlich noch als Glück empfinden, ZJ zu sein. Je länger Menschen jedoch dabei sind, desto mehr leiden sie unter dieser Täuschung, unter der Nichtübereinstimmung mit dem, was man ihnen vor Augen gemalt hat. Auf einer Seite stehen ungezählte Vorträge, Gespräche und illustrierte paradiesische Bilder der WT-Schriften und auf der anderen Seite die rauhe Wirklichkeit. ZJ reagieren ganz unterschiedlich auf diese „Ent-Täuschung“. Genau genommen muß ein ZJ in doppelter Hinsicht mit der Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit leben: einmal in bezug auf die Organisation, dann aber auch im Hinblick auf sich selbst als Person. In bezug auf die Organisation: In ungezählten Vorträgen und Artikeln der Zeitschriften hat man sie zum „geistigen Paradies“ hochgejubelt – völlig im Widerspruch zum real existierenden Organisationsbetrieb mit seinen stereotypen Zusammenkünften, den routinemäßigen Schulungsvorkehrungen und dem ständigen Wiederkäuen längst bekannter WT-Auslegungen. Der Vergleich mit dem unseligen „Arbeiter- und Bauernparadies“, der einstigen DDR, drängt sich hier wiederum auf. Dieses System sollte allem weit überlegen sein, was je ein Land seinen Bürgern an sozialer Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit zu bieten hatte. Dem standen jedoch der graue Alltag und die grausam harte Wirklichkeit des damals „real existierenden Sozialismus“ entgegen. Das Leben und Leiden unter diesem Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit hat dort – wie uns erst nach der Wende klargeworden ist – viele Menschen physisch und psychisch ungeheuer belastet. Sollte es sich unter ZJ anders auswirken, wenn die Wirklichkeit alle Ansprüche und Beteuerungen widerlegt? Da wirkt es wie Hohn, wenn gegen diesen für jedermann erkennbaren Widerspruch das alte ideologische Geschütz aufgefahren wird: In der Ex-DDR beteuerte man mit flotten Sprüchen: Wir folgen doch der reinen Lehre von Marx und Lenin. Bei den ZJ: Wir folgen doch der reinen Lehre der Bibel. Im WT-Originalton 1990: „Wir legen… die reine, unverfälschte Wahrheit der Bibel dar und bringen so einen lieblichen Wohlgeruch hervor, der für Gott… annehmbar ist“.

Wie der „Sozialismus“ den neuen – d.h. zugleich den besseren – Menschen zu schaffen versprach, so redet auch der „WT-ismus“ den ZJ ständig ein, sie seien im Vergleich zu den Leuten dieses alten bösen Systems die besseren Menschen, auf jeden Fall die „reinen, moralisch einwandfreien…“. Ich zitiere nochmals einen Satz aus dem WT:

 

„Diejenigen, die Jehova als Glieder seiner irdischen Organisation lobpreisen, sind reine, moralisch einwandfreie, gottergebene Menschen – in der Tat sehr begehrenswert“ (WT, 15.5.1988, S. 16).

 

Muß ein ZJ, der sich trotz aller WT -Indoktrination noch intellektuelle Redlichkeit und Ehrlichkeit bewahrt hat, diese Sätze nicht als geistige Hochstapelei empfinden? Wo ist auch nur ein einziger Mensch – auch unter ZJ – der rein und moralisch einwandfrei wäre? Die WTG lädt mit der Pauschalbeschreibung der ZJ als „rein“ und „moralisch einwandfrei“ diesen Menschen eine Bürde auf, die sie nie zu tragen, einen moralischen Anspruch, den sie nie erfüllen, eine Eliteillusion, der sie nie zu entsprechen vermögen. Zwischen Forderung und Realisierung klaffen Abgründe, angesichts derer die einen in die Selbstlüge oder Heuchelei flüchten, die anderen aber der Depression verfallen. Dieser Gegensatz zwischen Anspruch und Wirklichkeit und der daraus geborenen  A n g s t,  im Gottesgericht von Harmagedon vernichtet zu werden, erzeugt – über alles bisher Angeführte hinaus und zusätzlich zu allem anderen! – einen unerhörten psychischen Druck und damit einen negativen Streß, an dem sich die Seelen wund reiben. Es ist wie beim Hochsprung: Wer die Meßlatte zu hoch legt, bringt den Springer zu Fall!

Somit braucht niemand erstaunt zu sein, daß im vielgepriesenen geistigen Paradies der ZJ so viele an Depressionen, Neurosen und anderen psychischen Leiden erkranken. Manche flüchten in den Alkohol. Ich wundere mich nach allem, was immer mehr ans Licht kommt, daß es überhaupt noch psychisch gesunde ZJ gibt.

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Erinnerungen an eine autoritäre Religionsgemeinschaft

Unterstützung durch Leidensgenossen

Nun begann für meine Familie und andere Aussteiger, die Zeit der Neuorientierung. Mit der naheliegenden Überlegung einer Rückkehr zur Kirche oder irgend einer der zahlreichen Freikirchen und Gemeinschaften hatten wir große Mühe. Zu lange wurden wir vor solchen gewarnt, manche wurden auch regelrecht verteufelt. Dieses Denkschema ist bei Aussteigern fest verwurzelt. Daher blieben wir allen kleinen und großen „Übeln“ fern. Nur keine neue feste Bindung eingehen, redeten wir uns ständig ein. Diese Einstellung verursacht aber auch Probleme. Die Schlußfolgerung „ich muß wo dabei sein“, geschieht häufig aus der heutigen Sicht. Was haben denn Christen vor 1000 Jahren gemacht? Die zahlreichen evangelischen Kirchen und Freikirchen existierten noch nicht. Viele Neuzeitchristen schaudern bei dem Gedanken, sie hätten vor mehr als 500 Jahren eigentlich nur die Möglichkeit gehabt, Gemeinschaft in Verbindung mit der katholischen Kirche zu pflegen. War es anders möglich? Vielleicht trafen sich die Gläubigen in kleinen Zirkeln. Einen „Hauskreis“ im heutigen Sinn, kann man sich schwer vorstellen. Immer wieder gingen uns alle diese Überlegungen durch den Sinn. Hatte Jesus nicht gesagt: „Ich bin bei euch alle Tage bis zur Vollendung des Zeitalters“ (Matth.28,20). War er vor 1000 Jahren also auch bei den Gläubigen der katholischen Kirche? Das würde eine Zeuge verneinen, um sich anschließend in Hypothesen zu verlieren.

Nach unserem endgültigen Bruch mit der WTG, besuchte uns ein ZJ-Ehepaar aus Tübingen. Auch sie wollten nicht länger die Märchen des Sklaven schlucken. Bei dieser Gelegenheit brachten sie Schriften vom „Bruderdienst“ mit, in denen besonders die ZJ und ihre Organisation kritisch beleuchtet werden. Als ich die Artikel durchlas, fand ich die Antwort auf die Fragen, die auch uns bewegten. Deshalb nahm ich Kontakt mit dem Herausgeber auf.

Aus diesem Briefwechsel entstand dann für mich eine enge Zusammenarbeit mit diesem gläubigen Bruder.

Die anfänglichen Gefühle der Vereinsamung fanden ein schnelles Ende. Seit einigen Jahren treffen Ex-ZJ einander. Wir bezeichnen diese Begegnungen scherzend mit „unsere Kongresse“. Dort können wir uns aussprechen – und wenn es sein muß – auch ausweinen. Sprechen wir doch die gleiche Sprache. Wir bezeichneten dieses Zusammentreffen anfänglich als „Selbsthilfegruppe“, ein Bruder meinte es wäre besser diese als „Gotthilfegruppe“ zu bezeichnen. Denn nur die Hilfe von oben zählt wirklich.

Etliche Fragen und Überlegungen, die uns bedrängten, brachten wir zu Papier. Manches davon ist in den Heften „Brücke zum Menschen“ erschienen. Eines der größten Probleme, das Aussteiger „umtreibt“, ist dies: Wie kann ich etwas  t u n  für Gott? Gibt es die Möglichkeit, außerhalb der ZJ-Organisation für Jesus Christus „Zeugnis zu geben“? Oder ist dazu nicht  j e d e r  Christ berufen? Lehrt die Bibel, alle Christen seien verpflichtet von Haus zu Haus zu gehen, um zu predigen und Schriften zu verbreiten? Wo nur kann man außerhalb der Organisation „Zeugnisgeben“? Diese Denkweise veranlaßte ursprünglich meinen Chef, ein Buch zu schreiben. Später entdeckten wir, wie sehr wir noch immer Opfer der WT-Einflüsterungen waren.

Vereint hinüberleben?

Vereint bleiben, um in das Millennium hinüberzuleben: Nur Jehovas Zeugen — die Glieder des gesalbten Überrests und die „große Volksmenge“ — haben als vereinte Organisation unter dem Schutz des höchsten Organisators die biblische Hoffnung, das nahe bevorstehende Ende des zum Untergang verurteilten, von Satan, dem Teufel, beherrschten Systems zu überleben. (WT, 1.9.1989, S. 19)

Der Wachtturm behauptet das, und die Abhängigen glauben es. Wie schon gezeigt, bringen ZJ die Überlebensfrage eng mit ihrer Predigttätigkeit in Zusammenhang. Es handelt sich um eine „Organisation von Predigern und Lehrern“ behauptet der WT, 1.12.1975, S. 717. Jeder Gläubige sei nach dem Neuen Testament zugleich ein ordinierter Prediger, und darum ist das bei den ZJ heute auch so. Stimmt das wirklich? Haben alle Christen die gleiche Aufgabe – haben alle zu predigen – und garantiert diese Tätigkeit gleichzeitig das Hinüberleben in eine bessere Welt?

Wie immer ZJ es halten mögen, in den frühen christlichen Gemeinden war das Predigen und Lehren nur bestimmten (ausgewählten) Personen vorbehalten. Das Neue Testament zeigt, und das ist auch in der NW-Ü. so nachzulesen: „… er (Christus) gab einige als Apostel, einige als Propheten,  e i n i g e  als Evangelisten,  e i n i g e  als Hirten und Lehrer“ (Eph.4,11). Kein Zweifel: Nur  e i n i g e  hatten ein Predigt- und Lehramt, nicht jeder! Und vor allem: Niemals hatten alle das gleiche Amt. Gegen jede Art von Gleichschaltung wendet sich der Apostel Pau1us mit den Worten: „… Sind etwa alle Apostel? alle Propheten? alle Lehrer? haben alle Wunderkräfte?“ (1. Kor.12,28.29). Diese klaren Aussagen müßten an sich genügen, um zu beweisen, daß es in den frühchristlichen Gemeinden eine Vielzahl verschiedener Ämter und Gaben gegeben hat und daher die Behauptung falsch ist, das Predigen und Lehren fiele allen Christen sozusagen als Einheitsaufgabe zu.

Als Gegenargument verweist man gern auf den Missions- und Taufbefehl des auferstandenen Christus: „Geht daher hin und macht Jünger …, indem ihr sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes tauft und sie lehrt, alles zu halten, was ich euch geboten habe.“ (Matth.28,19 f.) Dieser Auftrag ist nicht der Gemeinde als Ganzes gegeben, sondern, wie der Zusammenhang zeigt, den „elf Jüngern“, den Aposteln. Wenn aber das Taufen nicht Aufgabe aller, sondern Sache der Apostel und der von ihnen später berufenen Personen war, dann aber auch das mit dem Taufbefehl verbundene „Lehren“ und Predigen. Ein Blick in die Apostelgeschichte zeigt, wie sehr das Werden und Wachsen der frühen Kirche ein Werk des erhöhten Christus durch seine  A p o s t e l  und deren engere Mitarbeiter gewesen ist. Nicht umsonst lautet der ursprüngliche Name der Apostelgeschichte „Acta“ d.h. „Die Taten“ (der Apostel). Wohl ist dann auch die Rede von den Wirkungen der apostolischen Predigt: Da kamen Menschen zum Glauben an Jesus, manchmal in großer Zahl. Von ihnen ist manches zu berichten: „Sie blieben beständig in der Apostel-Lehre, in der Gemeinschaft, beim Brotbrechen und im Gebet.“ (Apg.2,42). Auch ist von ihnen gesagt, daß sie sich „täglich im Tempel versammelten“ und „hin und her in den Häusern das Brot brachen“ (2,46). Nirgends aber heißt es, daß die Apostel sie ausgesandt hätten, öffentlich zu predigen! Wenn die ZJ meinen, damals hätten alle gepredigt, würde es dann nicht in diesem Zusammenhang mit erwähnt worden sein? Statt dessen berichtet die Apg. weiterhin Seite für Seite von der Verkündigung der Apostel und ihrer Mitarbeiter. So bekennt Paulus einmal beim Abschied von einer Gemeinde in einem „Rechenschaftsbericht“, er habe nicht versäumt, zu lehren und zu predigen „öffentlich und in den Häusern“ (Apg.20,20).

Seht, sagen die Zeugen, zumindest er ging also auch – wie wir heute – von Haus zu Haus, um zu predigen. „Von Haus zu Haus“ steht aber gar nicht da, sondern „öffentlich und in den Häusern“, d.h. doch, er predigte sowohl in öffentlichen Bereichen (im Tempel, auf Märkten und Plätzen), als auch in Privathäusern. Dennoch macht die NW-Übersetzung, die Bibel der ZJ, daraus ein „von Haus zu Haus“, weil es ihren Urhebern als zweckmäßig erscheint. Müßten sie aber dann nicht konsequenterweise auch Apg. 2,46 („Sie brachen das Brot hin und her in den Häusern“) so übersetzen: „Sie brachen das Brot von Haus zu Haus“? Warum tun sie’s hier nicht? Daß die frühen Christen das Abendmahl oder ein Liebesmahl oder einfach das „tägliche Brot“ (je nachdem, wie man das ,Brotbrechen‘ deutet) von Haus zu Haus „eingenommen“ hätten, will auch ihnen nicht einleuchten. Daher übersetzen sie hier plötzlich: „… in Privathäusern“. Was sie hier tun, hätten sie auch dort tun müssen. Jedenfalls: Für ein organisiertes Predigen aller Gläubigen läßt sich aus dem Neuen Testament kein Auftrag herleiten, schon gar nicht für das Predigen von Haus zu Haus. Auch der Rückgriff auf Jesu eigenes Wirken und auf die Aussendung seiner zwölf Jünger und später der siebzig (Luk. 8 ff.) kann dies nicht bringen. Nirgendwo ist gesagt, daß es sich um ein „Von-Haus-zu-Haus-Gehen“ nach heutiger Hausiererart gehandelt habe. Das hatte Jesus selbst gar nicht nötig, wenn er „Stadt und Dorf durchzog“. Wenn er kam dann lief: „…das Volk herzu, und es kamen etliche Tausend zusammen.“ Wozu sollte er sie da überhaupt noch von Tür zu Tür aufsuchen? Den siebzig Jüngern hatte Jesus sogar den ausdrücklichen Auftrag gegeben: „Ihr sollt nicht von einem Haus zum andern gehen.“ (Luk. 10,7). Für das von den ZJ behauptete „Von-Tür-zu-Tür-Gehen“ fehlt im Neuen Testament jede Spur.

Etwas ganz anderes ist die Bereitschaft zum persönlichen Zeugnis. Die frühe Kirchengeschichte weiß zu berichten, daß das Christentum häufig durch das persönliche Bekenntnis zu Jesus aus dem Munde schlichter gläubiger Männer und Frauen von Stadt zu Stadt und von Land zu Land getragen wurde. Kleine Händler und reiche Kaufleute, aber auch um ihres Glaubens willen Verfolgte, wurden auf diese Weise zu Missionaren. Wenn die Apostelgeschichte erzählt: Die durch Verfolgung zerstreuten Gläubigen zogen umher und predigten das Wort (Apg.8, 4.11.19), so dürfte es sich dabei um ein solches spontanes persönliches Christuszeugnis handeln, bei dem ausgesprochen wurde, wovon das Herz voll war.

Der Apostel Paulus hat in Röm.10 die bekannten Worte gesagt: „Wer mit dem Herzen glaubt, der ist gerecht, und wer mit dem Munde bekennt, der wird errettet.“ Das unorganisierte persönliche Zeugnis eines schlichten Gläubigen – diese „Wohltat der Unabsichtlichkeit“ – ist bis heute viel überzeugender, als manch ausgefeilte Predigt, die in der „Predigtdienstschule“ eingelernt wird. Wenn Paulus auch davon spricht, daß Christen „leuchten wie Lichter in der Welt“, so ist dabei nicht allein an das  m ü n d l i c h e  Zeugnisgeben gedacht, sondern an unser Wirken durch unser ganzes Sein. Wichtig ist nicht nur,  d a ß  gepredigt wird, sondern auch  w a s  wir predigen.

Ausstiegsschwierigkeiten

Inzwischen hatte auch Richard mit seiner Familie die Organisation freiwillig verlassen. Er ließ alle „Ermunterer“ schon an der Haustüre abblitzen. Ihn störten ebenfalls die seltsamen Bibelauslegungen und die Vorschriften der WTG. Als Beispiel zeigte er mir zwei „Leserfragen“ im WT. Es ging dabei um die Frage, ob eine Organtransplantation zulässig sei. Vor einigen Jahren wurde diese Frage noch positiv beantwortet und sogar mit aktiver Nächstenliebe in Verbindung gebracht. Die gleiche Frage wurde im WT nochmals gestellt, diesmal befanden die Hüter über das Wohl der „Schafe“, daß dies eine Form des „Kannibalismus“ und daher abzulehnen sei.

Oft ist es nur ein kleiner Anstoß und ganze Familien fliehen aus der WTG. Leider führt es auch zu schmerzlichen Trennungen innerhalb einer Familie, wenn ein Teil bei den ZJ bleibt, der andere weggeht. Das wird „geteiltes Haus“ genannt. Da wird dann der WTG-treue Partner bedauert, dem Aussteiger verpassen sie das Schandmal der Abtrünnigkeit. Die dafür genannten Motive sind unterschiedlich, meist unlautere. In meiner Heimatversammlung wurde mein Ausschluß öffentlich bekannt gemacht, die kuriose Begründung: ich sei ein „falscher Prophet“! Obwohl ich nie etwas prophezeite. Auch dieses unchristliche Verhalten ist alt und verwerflich, es ist als die „Haltet den Dieb!“ -Methode bekannt. All das ärgerte mich anfänglich, schließlich war es nur eine Bestätigung, wie berechtigt doch mein Exodus aus dieser Organisation war.

Heute habe ich den Eindruck, daß die WTG mit dem Austeilen der „Eselstritte“ sparsamer umgeht. Das ist oft zum Nachteil der Zweifler in ihren Reihen. Es wird für diese oft zum Schrecken ohne Ende. Sie schleppen sich weiterhin zu den Zusammenkünften und schütteln dort heimlich ihren Kopf oder ballen die Faust in der Hosentasche. Sie kommen nicht los, weil sie eben anderswo keine Alternative sehen. Oft beginnen dann bei sensiblen Personen die Schuldgefühle und sie enden womöglich in der Nervenklinik oder gar im Selbstmord. Dabei wurde festgestellt, daß besonders Personen betroffen sind, die starken inneren Anteil an dieser Gemeinschaft haben. Kinder, die darin groß wurden, jedoch innerlich keine strenge Bindung aufbauten, gehen meist ohne psychische Probleme weg. Im Gegenteil, sie fühlen sich dann wie von einer Last befreit.

Nun ein Appell an Außenstehende, die vielleicht Verwandte oder Freunde in dieser Organisation haben: Es ist zwecklos oft sogar schädlich, mit ungeeigneten Mitteln helfen zu wollen. Der Aussteiger sucht primär nach einer Alternativgruppe, am liebsten wäre ihm eine, die 1 : 1 der gewohnten Organisation entspricht, mit allen „richtigen“ Lehren und netten Leuten, jedoch ohne den WT-Unsinnigkeiten, sowie den strengen Vorschriften.

Seit einigen Jahren lade ich Zweifler in den deutschen Schwarzwald zu einer „Begegnung“ ein. Dort wird auf die Hauptperson des christlichen Glaubens verwiesen, auf Jesus Christus! Keine Gemeinschaft, keine Organisation, kein Kult, niemand hat das Recht, ihm diese Stellung streitig zu machen! Als „gebrannte Kinder“ stehen wir auch liberalen Gruppen ziemlich mißtrauisch gegenüber. Wer auf dem Herzen ein Brandmal hat, meidet das Feuer, zugegebenermaßen geschieht dies auch in übertriebener Weise.

Tips eines kritischen Zeugen Jehovas

Zu den erwähnten Schwarzwaldtreffen, kommt seit wenigen Jahren ein Bruder. Er besucht noch immer die ZJ-Versammlungen. Trotz aller Zweifel an der WTG, will er den Kontakt zu den Verwandten und Freunden nicht abrupt abbrechen. Er hat Erfahrungen, u.a. auch als Ältester, von mehr als 50 Jahren. Einige seiner Anregungen und Überlegungen, die ich als Brief erhielt:

Wenn ein Familienglied oder Freund sich Jehovas Zeugen nähert, dann reagieren die Angehörigen und Freunde in aller Regel falsch. Sie bemerken, daß sich der Umworbene verhaltensmäßig verändert hat, verschlossen wird und verheimlicht, was ihn nun bewegt. Die Angehörigen reagieren mit Sorge und Entsetzen. Es gibt Vorwürfe und Vorhaltungen, Versuche zur Aufklärung über diese schlimme ,Sekte‘. Es werden Ultimaten gestellt und Drohungen geäußert. Solche unüberlegten, oft instinktiven Reaktionen, unterstützen ungewollt die Ziele der Organisation. Die Anwärter sind rechtzeitig darauf vorbereitet worden. Geduld und Liebe sind erforderlich, der Betroffene soll fühlen, daß er nach wie vor geachtet, geschätzt und geliebt wird. Man sollte die Hoffnung auf einen künftigen Ausstieg nie aufgeben.

Das ehemalige Mitglied der Mun-Sekte, Steven Hassan, nennt dazu drei Punkte: 1. guten Kontakt und Vertrauen aufbauen, 2. Informationen sammeln, 3. Zweifel über die Sekte säen und die Entstehung einer neuen Perspektive fördern. Danach kann das Problem der Durchbrechung der Bewußtseins- und Gedankenkontrolle, den vorgegebenen Denkschemata, angegangen werden. Nach langjähriger Zugehörigkeit, verfliegt bei Sektenanhängern oft die erste Begeisterung. So manche Enttäuschung hat sich eingestellt, der Machtanspruch und –mißbrauch, werden durchschaut. Dann wird nach Hilfe gesucht. Folgende Reaktion wäre völlig falsch: „Ich habe dich doch immer vor dieser gefährlichen Sekte gewarnt!“. (…)

Sinnvoller wäre ein Gespräch über die Unstimmigkeiten in der Selbstdarstellung und Lehre der ZJ und ein Nachdenken über den Sinn der Kontrollmechanismen und ethischer Vorschriften.

Ein Gesprächsvorschlag: Lehränderungen der ZJ, zahlreich und von schwerwiegenden Auswirkungen, werden immer mit dem „neuen Licht“ erklärt. Dabei stützen sie sich auf einen Text in Sprüche 4,18. Wenn man diesen Text jedoch mit Vers 19 im Zusammenhang liest, dann sieht man ohne Schwierigkeit, daß hier ein Gerechter einem Gesetzlosen gegenübergestellt wird. Von Lehränderungen wird jedoch in keiner Weise gesprochen. Die vielen Änderungen machen oft die vorherigen Standpunkte und Lehren der WTG hinfällig. Sie werden nicht selten ins Gegenteil verkehrt. Ist so etwas ein „neues Licht“? Wer war dann verantwortlich für das „alte – falsche – Licht“? Kommt das von einem Gott, bei dem es keine Veränderungen gibt? Darf dieses „Licht“ hinterfragt und geprüft werden, oder ist dann die Einheit in Gefahr? Warum die große Angst, wenn man doch „die Wahrheit“ hat? Muß Wahrheit das Licht scheuen?

Bis vor wenigen Jahren sollten ZJ weder Bücher von „Ehemaligen“, den Abtrünnigen, lesen, noch deren Vorträge besuchen. Begründet auf den Text in 2.Johannes 9-11, wurde dies als geistige Gemeinschaft mit den betreffenden Personen angesehen. Wenn dem so ist, wieso kann die WTG jetzt Sondererlaubnisse für Mitglieder des „Informationsdienstes“ ausstellen? Diese dürfen nun solche Veranstaltungen besuchen und sich Ansprachen anhören. Gibt es vielleicht dazu irgend eine neue Anweisung Gottes?

Was geschieht eigentlich mit Menschen, die jahrelang, vielleicht sogar bis zu ihrem Tod, glaubten, was sich heute als „altes Licht“ erwiesen hat? ZJ machen auf Irrtümer bei anderen Gruppen immer aufmerksam und erklären, diese seien in der falschen Religion. Wie steht es da mit dem gleichen Maßstab, auf den Jesus unmißverständlich hinwies? (Matth.7,2). Ich bin bereit, Hilfesuchenden zur Verfügung zu stehen, oder versuche Hilfe zu vermitteln.

Den Aussagen dieses Briefes kann ich mich nur anschließen. Es wäre wünschenswert, wenn viele Menschen sich gut über die ZJ informieren, um gegen ihre Indoktrinationen gewappnet zu sein.

ZJ-Zweiflern möchte ich Mut machen, den Kontakt zu Gleichgesinnten zu suchen und über den Tellerrand der angeblichen „Wahrheiten“ hinauszuschauen.

Meine eigene Geschichte und die vieler anderer Aussteiger zeigen zum Glück, daß das eigene kritische Denken und die Unterstützung von wahren Freunden zur Freiheit führen können.

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